Geschichte:Aleppo, die begehrte und bedrohte Stadt

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Alltag in Aleppo 2008: Jugendliche laufen durch die Altstadt, im Hintergrund die Zitadelle. (Foto: Patrick Kovarik/AFP)

Um die syrische Metropole wurde in den vergangenen 5000 Jahren oft gekämpft. Bislang hat sie sich immer wieder erholt.

Von Sonja Zekri

Natürlich gibt es ältere und bedeutendere Bauten in der Stadt, um Aleppos Tragödie zu verdeutlichen. Andererseits, warum nicht dieses? Warum nicht das Hotel Baron? Immerhin ist es auch schon mehr als 100 Jahre alt, fertiggestellt im Auftrag eines wohlhabenden Armeniers im Jahr 1911 - 100 Jahre vor Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs. Dazwischen lagen historische Zeiten, Ägyptens Präsident Gamal Abdel Nasser hielt hier eine Rede, David Rockefeller, Charles de Gaulle und Charles Lindbergh logierten hier, Agatha Christie und ihr Gatte, der Archäologe Max Mallowan, waren Stammgäste.

Als der Aufstand gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ausbrach, war der Ruhm des Baron allerdings längst so verblichen wie die Polstermöbel. Während im Rest der Stadt in der Hoffnung auf künftige Besucher historische Herren restauriert wurden, trafen sich an der Bar des Baron bestenfalls Nostalgie-Reisende, bestaunten die altmodischen Telefone und wackeligen Tischchen.

Auch dies ist natürlich längst Geschichte. Zum wenigen, was aus Aleppo noch herausdringt, gehören Bilder vom beschädigten Hotel mit schiefen Kronleuchtern und zerrissenen Vorhängen. Es liegt inzwischen an der Front zwischen Regime-Truppen und -Gegnern, in die Zimmer sollen Flüchtlinge eingezogen sein.

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Gemessen am Schaden im Rest der Stadt kann sich das Baron möglicherweise dennoch glücklich schätzen. Im historischen Basar, dem gedeckten "Suq", einem der schönsten der Region, brach vor vier Jahren ein Brand aus. Assads Männer sollen einen Teil der Zitadelle - das Herz der Stadt - gesprengt haben. Das Minarett der Omajjaden-Moschee ist zerstört, die gesamte Altstadt, seit 1986 Unesco-Welterbe, schwer beschädigt.

Aleppos vorteilhafte Lage machte es zu einer kostbaren Beute

Es ist, bei aller Tragik, die letzte in einer ganzen Reihe von Verheerungen, die Aleppo erlebt hat, seit sich vor 5000 Jahren hier erstmals Menschen niederließen. Wie über so viele andere stolze Metropolen der Antike fielen die Mongolen im 13. Jahrhundert auch über Aleppo her. 1400 griff erneut der Mongolenherrscher Timur, der Lahme, "Tamerlan", an. Er hatte indische Elefanten mitgebracht, belagerte die mächtige Zitadelle, in der sich der Gouverneur und eine Handvoll Getreuer verschanzt hatten und sich mit Schwefelbomben und Pfeilen verteidigten. Sie hielten sich nur wenige Tage, dann siegte Timur und ließ, so einige historische Quellen, mit den abgeschlagenen Köpfen seiner Feinde, Schädelberge errichten.

Aleppos vorteilhafte Lage machte es zugleich zu einer kostbaren Beute. "Haleb", wie der Ort auf arabisch heißt, entstand an der Kreuzung wichtiger Handelsrouten vom Mittelmeer nach Mesopotamien, Irak, Iran. Was auch immer in den zahlreichen antiken Reichen zwischen Anatolien und Indien umgeschlagen wurde, die Wahrscheinlichkeit, dass Karawanen - später Autos, noch später: die Bagdad-Bahn - Aleppo passierten, war groß.

In der Antike herrschten wechselweise Hethiter und Assyrer, Babyloner, Perser, Griechen und Römer über Aleppo. Als die Araber im 7. Jahrhundert den Islam in die Stadt brachten, hatte Aleppo schon einige Erfahrung mit regionalen Großreichen gesammelt, die Omajjaden-Moschee, heute eines der beschädigten Wahrzeichen, wurde im 8. Jahrhundert errichtet.

Auch früher schon - wie heute - wurde die Stadt zerrieben zwischen großen Mächten, stets aber erholte sie sich und fand zu neuer Form. Im Mittelalter ließen die Kämpfe zwischen Byzanz, Kreuzrittern, Fatimiden und Seldschuken um die Vorherrschaft in der Region Aleppos Stern sinken. Unter den Ajjubiden im 13. Jahrhundert florierte die Stadt erneut. Nach den Verwüstungen durch die Mongolen wurde die Stadt Anfang des 16. Jahrhunderts Teil des Osmanischen Reiches und genoss eine neue Blüte auf dem Weg zwischen Europa und Arabien.

Als vor fünf Jahren der Aufstand gegen Baschar al-Assad ausbrach, war Aleppo eine stolze, wirtschaftlich prosperierende und religiös gemischte Stadt. In Aleppo lebte eine der größten christlichen Gemeinden Syriens, viele Armenier, Schiiten, Alawiten, alles zusammen 2,5 Millionen Menschen. Es war die größte Stadt des Landes. Monatelang hielt sich die Metropole aus den Kämpfen heraus. Dann kam die Gewalt zu ihr. Sie wird nicht so bald von ihr lassen.

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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