Generationswechsel in den USA:Jetzt kommen die Millennials

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Werbung wie diese beim Super Bowl 2017 soll gezielt die konsumstarken Baby Boomers ansprechen. (Foto: AP)
  • Seit fünf Jahrzehnten sind die Baby Boomer die zahlenstärkste Generation der USA und bestimmen selbstbewusst die politische Richtung.
  • Doch 2019 geht die Vorherrschaft zu Ende: Dann werden die Millennials die Boomer zahlenmäßig überholen.
  • Für die USA könnte das einen Richtungswechsel bedeuten.

Von Beate Wild, Austin

Marode Infrastruktur, dysfunktionale Regierung, erbitterte Grabenkämpfe: Viele Amerikaner blicken in jüngster Zeit erschrocken um sich und fragen sich, wie es zu der amerikanischen Misere kommen konnte. Die Schuldigen sind dann auch schnell gefunden, zumindest wenn es nach der Mehrheit der jüngeren Amerikaner geht.

Diese machen eine ganze Generation als Sündenbock für ihr gegenwärtiges Unglück aus: die sogenannten "Baby Boomer", also die zwischen 1946 und 1964 Geborenen. Seit fünf Jahrzehnten sind sie die zahlenstärkste Generation und bestimmen selbstbewusst die politische Richtung der USA. Die vier Präsidenten seit 1993 gehörten ihr an: Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama und Donald Trump (bis auf Obama, der 1961 geboren wurde, sind die anderen drei sogar alle derselbe Jahrgang: 1946).

Seit einigen Jahren wachsen die Zweifel, ob die Baby Boomer das Land wirklich vorangebracht haben. Sie seien ein egoistischer und selbstgefälliger Haufen, der dem Land viel Schaden zugefügt habe und sich wenig um die Zukunft der nachfolgenden Generationen schere, behauptet etwa der Autor Bruce Gibney, selbst Jahrgang 1970. Der Titel seines 2017 erschienenen Buches: " A Generation of Sociopaths: How the Baby Boomers Betrayed America."

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Gibney, Stanford-Absolvent und Investor, wirft den Boomern "Generationenplünderung" vor. Sie hätten die Wirtschaft des Landes ausgebeutet, wiederholt ihre eigenen Steuern gekürzt, zwei Kriege mit hoher Verschuldung finanziert sowie den Klimawandel ignoriert. Und nun überließen sie es den künftigen Generationen, das von ihnen angerichtete Chaos aufzuräumen.

Das Erstarken der Millennials wird Amerika entscheidend verändern

Mit seiner Analyse ist Gibney nicht alleine. Steven Brill, Autor des 2018 publizierten Buches "Tailspin. The People and Forces Behind America's Fifty-Year-Fall - and Those Fighting to Reverse It", rechnet mit seiner Generation (er selbst ist Jahrgang 1950) ab, zu der ja unter anderem auch die Hippies und Idealisten der Sechziger gehören. Die Boomer-Generation habe sich an die Vorzüge der Leistungsgesellschaft gewöhnt und sei "wirklich gut darin, das amerikanische System zu ihrem Vorteil auszunutzen." Kein Wunder sei, dass die Frustration derer, die nicht zu diesen Gewinnern gehören, langsam ein unerträgliches Ausmaß erreicht.

Doch für die Kritiker der Baby Boomer gibt es gute Nachrichten. Das Ende der Vorherrschaft ist eingeläutet - zumindest demografisch. 2019 werden nach einer Hochrechnung des US-Zensus-Büros die Millennials die Boomer zahlenmäßig überholen. Millennials sind jene Menschen, die heute zwischen 22 und 37 Jahre alt sind, und sie werden 2019 mit 73 Millionen eine Million mehr US-Bürger als die 54- bis 72-Jährigen stellen, so die Berechnung in einer Studie des Pew Research Centers. Die Millennials wachsen auch deshalb, weil junge Einwanderer zu dieser Gruppe gehören. Während bei den Boomern die Älteren langsam wegsterben.

Mit dem Erstarken der Millennials wird sich Amerika entscheidend ändern. Die zwischen 1981 und 1996 Geborenen sind in einer anderen Welt aufgewachsen als die Boomer. Sie erlebten in ihren prägenden Jahren Terrorismus, Schulmassaker, Klimawandel und die Folgen der Finanzkrise. Sie sind die Generation der ersten "Digital Natives", sind weniger politisch aktiv und weniger religiös als ihre Eltern, haben jedoch ein oft progressives Weltbild: Die gleichgeschlechtliche Ehe etwa ist für 74 Prozent von ihnen selbstverständlich, die Legalisierung von Marihuana in allen Bundesstaaten nur eine Frage der Zeit ( 74 Prozent der Millennials befürworten das).

Mit ihrer modernen, offenen Gesinnung werden sie nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Kultur in den Unternehmen ändern. Work-Life-Balance ist dieser Generation wichtiger als ihren Eltern. Ein Arbeitsplatz daheim und globales Arbeiten ist - zumindest für die gut Ausgebildeten - die neue Norm - auch dank Rund-um-die-Uhr-Vernetzung. Soziales Bewusstsein und ökologische Verträglichkeit sind keine Fremdworte für sie.

Immer mehr Millennials besitzen kein Auto mehr, sondern nutzen Car-Sharing oder Uber. Sie fordern Gleichberechtigung, finden die "Me Too"-Bewegung überfällig und fühlen sich von den politischen Ideen eines Bernie Sanders (etwa zu Mindestlohn, gebührenfreien Universitäten oder Krankenversicherung für alle) angesprochen. Die derzeit prominenteste Vertreterin der Millennials im Kongress ist die 29 Jahre alte, neu gewählte Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. Sie rechnet sich dem linken Flügel der Demokraten zu und hat 2016 bei Bernie Sanders im Wahlkampfteam gearbeitet.

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Präsident Donald Trump mögen die Millennials dagegen weniger. In Umfragen schneidet er bei ihnen regelmäßig am schlechtesten ab. Wenn es also Potenzial für Veränderung gibt, dann geht sie von dieser Generation aus.

Und hinter den Millennials wartet bereits die nächste Generation: Die Post-Millennials, auch Generation Z genannt, sind heute 21 Jahre oder jünger. Global betrachtet überholt sie 2019 die Millennials sogar schon, hat eine Bloomberg Analyse ergeben, allerdings vorwiegend in Indien und in afrikanischen Ländern.

In den USA, China, Japan und Deutschland kommen nächstes Jahr auf 100 Millennials nur 73 Gen-Z-Vertreter. Damit hat diese Altersgruppe also vermutlich noch auf Jahre hin keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschicke ihres Landes.

Bei den Wahlen bleiben die Millennials lieber zu Hause

In dieses mehrlagige Sandwich eingezwängt, gibt es dann noch die Generation X, also die Kohorte der heute 38- bis 53-Jährigen, die zwischen den Millennials und Boomer liegen. Sie sind den anderen Generationen mit ihren 65 Millionen zahlenmäßig stark unterlegen und stehen in vielen Lebensbereichen im Schatten der Älteren. Und unterliegen deshalb wohl auch nicht der ständigen Überinterpretation durch Medien und Umfrageinstitute wie die Millennials.

Erst im Jahre 2028 werden die Boomer weniger sein als die Generation X - da dürften die Millennials schon auf die 75 Millionen zugehen und alleine schon deshalb stets von größerer Bedeutung sein.

Doch wenn die Millennials das Zeug hätten, die Zukunft der USA entscheidend zu beeinflussen, warum sind dann in der Politik überwiegend immer noch die Boomer am Ruder? Weil die Millennials, anders als die Älteren, bei Wahlen bislang lieber zu Hause geblieben sind. In der Präsidentschaftswahl 2016 ging lediglich die Hälfte zur Wahlurne, bei den Midterms waren es nur 31 Prozent der 18 bis 29-Jährigen.

Kein Wunder also, dass die Boomer mit ihrer Wahlbeteiligung von 70 Prozent überdurchschnittlichen Einfluss auf die Politik des Landes haben. Aber das ist nur eine Frage der Zeit.

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