Alexandria Ocasio-Cortez ist nicht nach Washington gekommen, um Rücksicht zu nehmen - nicht auf den politischen Gegner, nicht auf hämische Journalisten und auch nicht auf Gepflogenheiten der eigenen Partei. Wie konsequent die junge Demokratin ihren Kurs verfolgt, war während der einwöchigen Orientierung für alle neuen Kongressabgeordneten zu besichtigen.
Ocasio-Cortez machte gleich klar, dass sie sich nicht langsam in bestehenden Strukturen hocharbeiten möchte. Bereits durch ihren Vorwahl-Sieg gegen Amtsinhaber Joe Crowley, der immerhin 20 Jahre für die Demokraten im Repräsentantenhaus saß, hätte das Partei-Establishment gewarnt sein können. Die Vertreterin der "Democratic Socialist", dem linken Flügel der Demokraten, will schnell etwas bewegen - vor allem in ihrer Partei, und das in Richtung radikalerer Lösungen für die amerikanische Misere.
Sie werde auch als Politikerin weiter mit Aktivisten zusammenarbeiten, kündigte sie an. Und sie setzt auf neue Strategien: Radikale Offenheit und Transparenz. Beides zelebriert sie - wo sonst - vorwiegend im Internet. Weit über eine Million Anhänger hat sie bei Instagram, mehr als 1,5 Millionen auf Twitter. Alles, was Ocasio-Cortez während der Orientierungswoche erlebte, teilte sie live und direkt mit ihren Followern - und kritisierte gleich, dass einer der Workshops von der Investmentbank Goldman Sachs veranstaltet wurde.
Live-Fragestunde und nebenbei Nudeln kochen
"Wo ist die Arbeiterklasse?", fragte sie vorwurfsvoll. Und als eine Gruppe Demonstranten das Kongress-Büro von Fraktionsführerin Nancy Pelosi besetzte, um gegen den Klimawandel zu demonstrieren, machte Ocasio-Cortez spontan mit.
Mit solchen Auftritten ist Ocasio-Cortez gerade dabei, neben besagter Pelosi zur bekanntesten Demokratin zu werden. Wenn sie in Livevideos Fragen - nicht nur zu politischen Themen - beantwortet, steht sie dabei schon einmal in der Küche und kocht nebenher Nudeln. Titel der Veranstaltung: "Live Cook + Q&A" (Live-Kochen und Fragerunde). In den sozialen Netzen folgen ihr mehr Leute als den anderen 60 Kongress-Neulingen zusammen. "Liebenswert" und "erfrischend" sei es, der 29-Jährigen zuzuschauen, so der Tenor ihrer Follower.
Ihre Nahbarkeit entwickelte sich bereits kurz nach ihrer Kandidatur-Ankündigung im April 2017 zum wichtigen Faktor. Ihre Botschaft wurde weit über die Grenzen ihres Wahlbezirks, den New Yorker Stadtteilen Bronx und Queens, gehört. Eine Millennial, die andere Millennials veranlasst, sich für Politik zu interessieren. Und nebenbei Prominente wie Filmstar Leonardo DiCaprio dazu bringt, ein Social-Media-Filmchen zum Klimawandel mit der New Yorker Aktivistin zu posten.
Diese Prominenz hat ihr auch Kritik eingebracht, vor allem im konservativen Lager. Gerne behaupten ihre Gegner, die 29-Jährige sei nicht die materiell gebeutelte Kellnerin, als die sie sich in der Öffentlichkeit präsentiert, sondern in Wahrheit durchaus wohlhabend. Als Beleg dafür wird dann die schicke Kleidung der Politikerin angeführt - dabei gehört die einfach zum Dresscode Washingtoner Volksvertreter.