Angesichts abflauender Proteste hofft Frankreichs Regierung auf ein Ende der Krise, in die sie durch die Gelbwesten-Bewegung geraten ist. "Die Kreisverkehre müssen freigegeben und die allgemeine Sicherheit muss wieder Normalität werden", forderte Innenminister Christophe Castaner am Wochenende von den Demonstranten. Parlamentspräsident Richard Ferrand, ebenso wie Castaner ein Vertrauter von Präsident Emmanuel Macron, verwies auf ein "massives Entgegenkommen" des Staatsoberhaupts. "Jetzt ist die Zeit des Dialogs gekommen", sagte Ferrand.
Die Proteste der Gelben Westen, die sich gegen hohe Steuern und teure Lebenshaltungskosten richten, hatten zuvor deutlich weniger Demonstranten angezogen als in der Vorwoche. Am Samstag gingen nach Zählung des Innenministeriums landesweit 66 000 Menschen auf die Straße, halb so viele wie eine Woche früher. Am ersten Aktionstag Mitte November hatten sich mehr als 280 000 Menschen beteiligt.
Ungeachtet des gesellschaftlichen Angstklimas nach dem Attentat auf den Straßburger Weihnachtsmarkt vergangene Woche, hatten Anführer der Gelben Westen zu einer Verstärkung der Proteste aufgerufen. Doch die Taktik Macrons scheint aufzugehen: Er versucht, die Bewegung mit Empathie und vor allem mit Zugeständnissen zu spalten. So hat er vor einer Woche unter anderem die schnelle Anhebung einer Prämie für Mindestlohn-Bezieher um 100 Euro angekündigt. Insgesamt kosten seine Versprechen zur Stärkung der Kaufkraft den Staatshaushalt 2019 zehn Milliarden Euro.
Die kaum strukturierte Bewegung der Gelben Westen hat Macron damit weit mehr abgerungen als Frankreichs Gewerkschaften mit ihren Protesten. Zudem hat der Präsident im ganzen Land dreimonatige Regionalkonferenzen angesetzt, in die sich Wortführer der Gelbwesten einbringen sollen. Bei den Konferenzen sollen sie mit Vertretern des Staats, der Städte und der Sozialpartner über Steuern, den Sozialstaat und Erlösquellen für eine französische Ökowende debattieren.
Vor Jahresende muss der Haushalt 2019 verabschiedet sein
Wie Macrons Versprechen an die Gelbwesten finanziert werden, ist noch unklar. Die Zeit drängt - vor Jahresende muss der Haushalt 2019 verabschiedet sein. Mitte dieser Woche will die Regierung einen Vorschlag zur Finanzierung vorlegen. Wahrscheinlich ist, dass sie einerseits Steuererleichterungen für Unternehmen kürzt und andererseits mehr neue Schulden aufnimmt als bisher geplant. Das Defizit werde voraussichtlich rund 3,2 Prozent betragen, sagte Premierminister Edouard Philippe in einem Interview der Zeitung Les Echos. Damit wird Frankreich 2019 die EU-Vorgabe einer Neuverschuldung von maximal drei Prozent der Wirtschaftsleistung verletzen. Die Regierung verspricht, das Defizit 2020 wieder unter den Grenzwert zu drücken.
Ob die Gelben Westen angesichts des Misserfolgs vom Samstag für nächstes Wochenende erneut Kundgebungen ansetzen, ist ungewiss. In Paris gingen am Samstag nur noch 4000 Menschen auf die Straße. Sie waren damit halb so viele wie die Polizisten, die ihren Protestzug begleiteten.
Verglichen mit den Vorwochen kam es zu deutlich weniger Ausschreitungen und Sachbeschädigungen. 179 Personen wurden festgenommen; eine Woche zuvor waren es etwa 1000. In den Regionalmetropolen Toulouse und Bordeaux demonstrierten jeweils etwa 4500 Personen. Am Rande der Aktionen der Gelbwesten, die mancherorts in Frankreich noch immer Straßen und Verkehrskreisel blockieren, kommt es regelmäßig zu Unfällen. Dabei starben bisher acht Menschen.