Gefecht im Gelben Meer:Obama und das Menetekel Korea

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Der Angriff Nordkoreas auf Südkorea könnte die erste größere außenpolitische Krise für US-Präsident Obama werden. Bislang reagiert er angemessen, doch es lässt sich nicht verbergen: Eine konsequente Strategie im Umgang mit Pjöngjang fehlt bisher - und ohne China wird sich der Konflikt kaum lösen lassen.

Reymer Klüver

Eines muss man Präsident Barack Obama lassen: Er behält in Krisen einen kühlen Kopf. Das war so angesichts des drohenden Wirtschaftskollapses am Anfang seiner Amtszeit und auch nicht anders vor bald einem Jahr, nach dem mit knapper Not vereitelten Terroranschlag des sogenannten Weihnachtsbombers. Und so ist es nun wieder nach dem Granatenangriff Nordkoreas auf eine bis dahin völlig unbeachtete Insel vor Südkorea, der sich gleichwohl zur ersten größeren außenpolitischen Krise von Obamas Amtszeit entwickeln könnte. Die Entsendung eines US-Flugzeugträgers und die Ankündigung eines Manövers mit dem südkoreanischen Verbündeten dürften die angemessenen militärischen Antworten auf die Provokation aus dem Norden Koreas sein.

US-Präsident Obama reagiert bisher angemessen auf die Korea-Krise. Doch auf lange Sicht wird das nicht genügen. (Foto: Getty Images)

Und doch: So überlegt die Reaktion Obamas auch wirkt, sie kann nicht verbergen, dass die amerikanische Regierung bislang keine konsequente Strategie gegenüber Nordkorea entwickelt hat. Vielmehr hat Obama das Problem bisher weitgehend ignoriert. Aus guten Gründen: Die Prioritäten für sein außenpolitisches Engagement lagen und liegen woanders. Da musste zunächst die Erosion des amerikanischen Ansehens bei den Verbündeten gestoppt werden. In der islamischen Welt warb der Präsident um Vertrauen und suchte, mit Erfolg, einen Neuanfang mit Russland. Nun stehen die Auseinandersetzung mit Iran und das nicht minder zähe Ringen um einen Ausgleich im Nahen Osten im Zentrum. Zudem binden die Sicherung des Rückzugs aus dem Irak und die Eskalation des Krieges in Afghanistan nicht nur unglaublich viele finanzielle und militärische Ressourcen, sondern auch enorme diplomatische Kräfte.

Die Granaten auf die Insel Yeonpyeong sind indes ein harscher Weckruf. Der Alarm zeigt, dass Obama sich seine Prioritäten nicht aussuchen kann. Bisher hat er, wie es seine Berater im Weißen Haus nennen, gegenüber Nordkorea eine Haltung "strategischer Geduld" eingenommen. Die USA, so das Kalkül, wollen sich so lange nicht auf Verhandlungen mit Nordkorea einlassen, bis das Regime dort von Provokationen ablässt und seine Bereitschaft signalisiert, bereits gegebene Versprechen zur nuklearen Abrüstung endlich einzulösen. Tatsächlich hat es seit Amtsantritt Obamas vor nun bald zwei Jahren keine Neuauflage der sogenannten Sechs-Parteien-Gespräche mit Vertretern Chinas, Russlands, Japans und den beiden Koreas gegeben.

Damit wollten die Diplomaten Obamas die Konsequenz aus der gescheiterten Appeasement-Politik seiner beiden direkten Vorgänger ziehen. George W. Bush und Bill Clinton hatten selbst bei gezielten Nadelstichen Nordkoreas nie gezuckt. Sie versuchten vielmehr, das Regime in Pjöngjang mit immer neuen Gesprächsangeboten und großzügigen Hilfszusagen zu bestechen - ohne indes jemals die versprochenen Gegenleistungen zu bekommen. Doch ein schlüssiges neues Konzept ist den Obamisten auch bislang nicht eingefallen. Anderes in der Welt erschien dringlicher. Das rächt sich nun.

Tatsächlich haben die USA eigentlich nur "lausige Optionen", wie es ein amerikanischer Korea-Experte formuliert hat. Wenn sie sich weiterhin in Obamas "strategischer Geduld" üben, kann Nordkorea schlicht weiter provozieren. Und mit jeder Drehung der Eskalationsschraube wächst die Gefahr, dass die Situation außer Kontrolle gerät und das isolierte Regime um sich zu schlagen beginnt. Das ist keine wirklich erfreuliche Aussicht angesichts des Nuklearprogramms des Landes. Vor nicht einmal zwei Wochen hat Nordkorea die Welt mit einer hochmodernen Urananreicherungsanlage überrascht. Zudem wird schon länger von einem neuen Atombombentest geraunt. Wie sollten die USA dann darauf reagieren?

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:Ein Krieg und kein Ende

Vor 60 Jahren überfiel Nordkorea den Süden des Landes. Ein Friedensabkommen gibt es bis heute nicht - und immer wieder flammt die Gewalt neu auf.

So weit allerdings muss es nicht kommen. Obama könnte sich angesichts der Krise vom Konzept der strategischen Langmut verabschieden und auf neue Gespräche einlassen - was wohl das übergeordnete Ziel der Nordkoreaner sein dürfte, wenn man das Vorgehen des Regimes in Pjöngjang richtig interpretiert. Das würde vielleicht die Spannungen mindern, die Situation aber nicht ändern und Nordkorea nur wieder einmal zeigen, dass die USA im Zweifel nachgeben. Also auch keine wirklich gute Option.

Das eigentliche Problem für Obama ist aber nicht einmal Nordkorea. Es ist Pjöngjangs Schutzmacht China. Trotz allen Werbens hat Obama in den vergangen zwei Jahren kein rechtes Verhältnis zur chinesischen Führung aufbauen können. China ist nicht der strategische Partner geworden, den der Präsident sich erhofft hat. Auch in der Auseinandersetzung mit Nordkorea hat China den USA die kalte Schulter gezeigt. Nur die Chinesen haben jedoch im Zweifel noch Einfluss auf das Stalinisten-Regime in ihrer Nachbarschaft. Aber je mehr die USA Peking bedrängen, Druck zu machen, desto nachsichtiger scheinen sie gegenüber dem kapriziösen Nachbarn zu werden.

Flugzeugträger zu schicken ist die richtige Reaktion in der Krise. Langfristig aber muss Obama das Verhältnis zu den Chinesen neu ordnen, wenn er das nordkoreanische Problem in den Griff bekommen will.

Das ist die eigentliche Botschaft der Granaten von Yeonpyeong.

© SZ vom 25.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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