Gefecht im Gelben Meer:Obama und das Menetekel Korea

Der Angriff Nordkoreas auf Südkorea könnte die erste größere außenpolitische Krise für US-Präsident Obama werden. Bislang reagiert er angemessen, doch es lässt sich nicht verbergen: Eine konsequente Strategie im Umgang mit Pjöngjang fehlt bisher - und ohne China wird sich der Konflikt kaum lösen lassen.

Reymer Klüver

Eines muss man Präsident Barack Obama lassen: Er behält in Krisen einen kühlen Kopf. Das war so angesichts des drohenden Wirtschaftskollapses am Anfang seiner Amtszeit und auch nicht anders vor bald einem Jahr, nach dem mit knapper Not vereitelten Terroranschlag des sogenannten Weihnachtsbombers. Und so ist es nun wieder nach dem Granatenangriff Nordkoreas auf eine bis dahin völlig unbeachtete Insel vor Südkorea, der sich gleichwohl zur ersten größeren außenpolitischen Krise von Obamas Amtszeit entwickeln könnte. Die Entsendung eines US-Flugzeugträgers und die Ankündigung eines Manövers mit dem südkoreanischen Verbündeten dürften die angemessenen militärischen Antworten auf die Provokation aus dem Norden Koreas sein.

NATO Summit Lisbon 2010 - Day 2

US-Präsident Obama reagiert bisher angemessen auf die Korea-Krise. Doch auf lange Sicht wird das nicht genügen.

(Foto: Getty Images)

Und doch: So überlegt die Reaktion Obamas auch wirkt, sie kann nicht verbergen, dass die amerikanische Regierung bislang keine konsequente Strategie gegenüber Nordkorea entwickelt hat. Vielmehr hat Obama das Problem bisher weitgehend ignoriert. Aus guten Gründen: Die Prioritäten für sein außenpolitisches Engagement lagen und liegen woanders. Da musste zunächst die Erosion des amerikanischen Ansehens bei den Verbündeten gestoppt werden. In der islamischen Welt warb der Präsident um Vertrauen und suchte, mit Erfolg, einen Neuanfang mit Russland. Nun stehen die Auseinandersetzung mit Iran und das nicht minder zähe Ringen um einen Ausgleich im Nahen Osten im Zentrum. Zudem binden die Sicherung des Rückzugs aus dem Irak und die Eskalation des Krieges in Afghanistan nicht nur unglaublich viele finanzielle und militärische Ressourcen, sondern auch enorme diplomatische Kräfte.

Die Granaten auf die Insel Yeonpyeong sind indes ein harscher Weckruf. Der Alarm zeigt, dass Obama sich seine Prioritäten nicht aussuchen kann. Bisher hat er, wie es seine Berater im Weißen Haus nennen, gegenüber Nordkorea eine Haltung "strategischer Geduld" eingenommen. Die USA, so das Kalkül, wollen sich so lange nicht auf Verhandlungen mit Nordkorea einlassen, bis das Regime dort von Provokationen ablässt und seine Bereitschaft signalisiert, bereits gegebene Versprechen zur nuklearen Abrüstung endlich einzulösen. Tatsächlich hat es seit Amtsantritt Obamas vor nun bald zwei Jahren keine Neuauflage der sogenannten Sechs-Parteien-Gespräche mit Vertretern Chinas, Russlands, Japans und den beiden Koreas gegeben.

Damit wollten die Diplomaten Obamas die Konsequenz aus der gescheiterten Appeasement-Politik seiner beiden direkten Vorgänger ziehen. George W. Bush und Bill Clinton hatten selbst bei gezielten Nadelstichen Nordkoreas nie gezuckt. Sie versuchten vielmehr, das Regime in Pjöngjang mit immer neuen Gesprächsangeboten und großzügigen Hilfszusagen zu bestechen - ohne indes jemals die versprochenen Gegenleistungen zu bekommen. Doch ein schlüssiges neues Konzept ist den Obamisten auch bislang nicht eingefallen. Anderes in der Welt erschien dringlicher. Das rächt sich nun.

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