Gefangenenlager Guantanamo:Obamas Polieren am Schandfleck

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Außenposten unter tropischem Himmel: 445 Million Dollar kostet die US-Regierung der Unterhalt des Gefangenenlagers auf dem Marinestützpunkt Guantanamo auf Kuba pro Jahr. (Foto: John Moore/Getty)
  • Barack Obama wollte das Gefangenenlager auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay in Kuba binnen eines Jahres schließen. Es existiert noch immer.
  • Die Pläne des US-Präsidenten wurden von den Republikanern im US-Kongress vereitelt. Auch Donald Trump will es nicht schließen.
  • Die rechtliche Lage der Gefangenen hat sich immerhin etwas verbessert.
  • Einige Häftlinge wollte aber auch Obama nie entlassen.

Von Hubert Wetzel, Washington

Am 23. Januar 2009 unterzeichnete Barack Obama einen Erlass, wonach das Gefangenenlager auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay in Kuba binnen eines Jahres geschlossen werden solle. Obama war damals gerade zwei Tage im Amt, es gab auch jede Menge andere Dinge zu organisieren. Doch der neue US-Präsident wollte der Welt zeigen, dass er es ernst meinte mit den Wahlkampfversprechen, den Schandfleck Guantanamo rasch zu beseitigen.

Heute, acht Jahre später und wenige Tage vor dem Ende von Barack Obamas zweiter Amtszeit, sind in Guantanamo immer noch Menschen eingesperrt. Ihre rechtliche Lage hat sich etwas verbessert, sie haben Anwälte, ihre Fälle werden bearbeitet und überprüft, und nach allem, was man weiß, werden sie nicht mehr gequält und gefoltert.

Doch bei seinem Ziel, Guantanamo zu schließen, ist Obama gescheitert. Da der künftige Präsident Donald Trump Guantanamo als notwendig bezeichnet (und auch das Foltern von Terrorverdächtigen gelegentlich gelobt hat), wird das Camp wohl für mindestens vier weitere Jahre in Betrieb sein.

Obama hat immer wieder Anläufe unternommen, um Guantanamo zu schließen. Vereitelt wurden diese Versuche allesamt von den Republikanern im US-Kongress - sie nutzten ihre Budgetmacht, um die Pläne zu torpedieren. Der Regierung wurde vom Parlament schlicht verboten, Geld für die Überführung von Guantanamo-Häftlingen auf US-Staatsgebiet auszugeben. Damit wurde es für Obama unmöglich, das Lager zu leeren und zu schließen.

Einige Häftlinge wollte selbst Obama nie entlassen

Immerhin sitzen heute sehr viel weniger Menschen in Guantanamo als noch vor einigen Jahren. Bereits Präsident George W. Bush, der Guantanamo nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 einrichten ließ, hatte begonnen, Häftlinge zu entlassen und in ihre Heimat- oder andere aufnahmewillige Länder zurückzuschicken. Zu Hochzeiten, als die US-Truppen in Afghanistan und im Irak viele Gefangene machten, waren in dem Lager mehr als 700 Menschen eingesperrt.

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Als Obama Anfang 2009 Präsident wurde, gab es auf dem Militärstützpunkt noch 242 Häftlinge. Die meisten davon hat Obama nach einer Sicherheitsüberprüfung freigelassen. Das war nicht immer leicht, denn die Aufnahmeländer mussten stets allerlei Garantien abgeben, dass sie die Leute umfassend überwachen würden, die sie den Vereinigten Staaten abnahmen.

Heute gibt es noch 59 Häftlinge in Guantanamo, von denen 19 noch in den kommenden Tagen freikommen sollen. Läuft alles glatt, ist das Lager bei Obamas Amtsende zumindest fast leer.

Doch anstatt froh zu sein, dass Obama ihm ein völkerrechtliches und politisches Problem vom Hals schafft, das zudem etwa 445 Millionen Dollar im Jahr kostet, schießt Trump quer. Er hat Obama per Twitter aufgefordert, keine Häftlinge freizulassen. "Das sind sehr gefährliche Leute, denen nicht erlaubt werden sollte, aufs Schlachtfeld zurückzukehren", so Trump. Tatsächlich gab es in der Vergangenheit etliche Fälle von entlassenen Guantanamo-Häftlingen, die dann später wieder gegen US-Truppen in Afghanistan oder im Irak gekämpft haben. In jüngster Zeit ist so etwas aber nicht mehr bekannt geworden.

Die Häftlinge, die noch in Guantanamo einsitzen, fallen, grob gesagt, in drei Kategorien: zum einen Menschen, die unschuldig eingesperrt wurden oder zumindest heute keine Gefahr für die USA mehr darstellen und deswegen entlassen werden könnten; zum zweiten überführte Terroristen, die Anschläge verübt haben und von Militärtribunalen abgeurteilt werden sollten; zu dieser Gruppe zählen einige ranghohe Al-Qaida-Mitglieder, die vermutlich an 9/11 beteiligt waren.

Die dritte Häftlingsgruppe ist, rechtlich gesehen, die komplizierteste: Dabei handelt es sich um Männer, von denen die US-Geheimdienste überzeugt sind, dass sie gefährliche Terroristen sind. Allerdings hat die US-Regierung keine handfesten oder verwertbaren Beweise, um diese Leute vor ein ordentliches Gericht zu stellen. Sie freizulassen, wie es in solchen Fällen bei normalen mutmaßlichen Straftätern geboten wäre, ist jedoch ebenfalls nicht möglich.

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Auch Obama stand daher schon vor dem Problem, Menschen in Gewahrsam zu haben, die mit großer Wahrscheinlichkeit eine Bedrohung darstellen und die er ohne rechtsstaatliches Verfahren einsperren muss - möglicherweise für unbegrenzte Zeit. Der Präsident wollte zu diesem Zweck ein eigenes Gefängnis in den USA einrichten, was ihm dann jedoch vom Kongress verboten wurde.

Das bedeutet: Auch wenn Obama das Lager Guantanamo physisch schließen wollte - in juristischer Hinsicht wollte er auf US-Staatsgebiet einen ähnlichen Ort schaffen, an dem die Grundrechte und die Strafprozessordnung außer Kraft gesetzt worden wären. Immerhin wäre damit jedoch den Leuten, die für al-Qaida oder den "Islamischen Staat" Terroristen rekrutieren, das Schlagwort "Guantanamo" genommen gewesen; obwohl unklar ist, wie viele junge Muslime sich dadurch noch in den Krieg gegen Amerika locken lassen.

Ob Trump sich mit derlei juristischen und politischen Feinheiten abgeben wird, ist offen. Sicher ist: In seiner Umgebung gibt es niemanden, der ihm raten würde, Guantanamo zu schließen. Trumps künftiger Heimatschutzminister, General a. D. John Kelly, ist ein Befürworter des Lagers. Trumps künftiger Verteidigungsminister, General a. D. James Mattis, ist zwar ein erklärter Gegner der Folter, er ist aber nicht als Kritiker der Praxis aufgefallen, Terrorverdächtige ohne Verfahren wegzusperren. Und schließlich sind die Zeiten nicht so, dass irgendein Politiker als weich im Kampf gegen Terroristen erscheinen will.

© SZ vom 05.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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