Humanitäre Hilfe:Weitere Transporte erreichen Gaza

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Mitarbeiter des Roten Halbmonds sortieren in Khan Younis im Gazastreifen Hilfsgüter, um sie zu verteilen. (Foto: Ibraheem Abu Mustafa/REUTERS)

Am Montag fahren 40 Lastwagen in das abgeriegelte palästinensische Küstengebiet. Aus Sicht der Vereinten Nationen ist das noch nicht ausreichend. Treibstoff für Kliniken fehlt weiterhin.

Von Bernd Dörries, Kairo

Zwanzig Lastwagen Hilfslieferungen für 2,2 Millionen Menschen in Gaza - das war noch am Wochenende die Gleichung, die für viele zeigte, dass die Einigung zwischen Israel, Ägypten und den USA für einen ersten Konvoi aus 20 Lastwagen viel zu wenig war, um die Bevölkerung des von Israel abgeriegelten Gebietes mit Medikamenten und Lebensmitteln zu versorgen.

Jetzt kommt aber mehr Hilfe schneller nach Gaza, als noch am Wochenende befürchtet wurde. Am Samstag und Sonntag waren insgesamt 34 Laster über den Grenzübergang Rafah von Ägypten nach Gaza gerollt, am Montag setzen sich weitere 40 in Bewegung. Hilfsorganisationen sprachen von Fortschritten, forderten aber eine Intensivierung der Lieferungen.

Schon vor dem Terroranschlag der Hamas und den Gegenangriffen der Israelis waren etwa 60 Prozent der Palästinenser in Gaza auf humanitäre Hilfe des Palästinenserhilfswerks der Vereinten Nationen, UNRWA, angewiesen. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass für eine Grundversorgung mit Hilfsgütern etwa 100 Lastwagenladungen täglich benötigt werden. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schloss sich am Montag den Forderungen nach einer Pause im Krieg zwischen Israel und Hamas an, um mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu ermöglichen. "Ich persönlich denke, dass eine humanitäre Pause notwendig ist, damit humanitäre Hilfe ankommen und verteilt werden kann", sagte Borrell vor einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. Israel lehnt eine Feuerpause bisher ab.

Die Transporte werden von Israel kontrolliert

Die israelische Armee kontrolliert an der Grenze zu Gaza jeden Lastwagen auf Waffen und andere verbotene Güter wie Benzin, die Regierung in Tel Aviv warnte, dass "jeder nicht von Israel koordinierte und genehmigte Lieferversuch vereitelt werden wird".

Die UNRWA fordert, dass auch Treibstoff in den Gazastreifen gebracht werden darf. Die Reserven der Organisation würden bis Mitte der Woche aufgebraucht. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schloss sich dieser Forderung an. Krankenhäuser bräuchten Treibstoff, um zumindest in Minimalfunktion laufen zu könnten, sagte sie im Deutschlandfunk. "Ohne Strom werden auch die Entsalzungsanlagen und die Pumpen für Trinkwasser nicht funktionieren können. Deshalb braucht es dringend Treibstoff, damit die Wasserversorgung wieder steht." Baerbock wird am Dienstag an einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York teilnehmen, in der es um den Krieg zwischen Israel und der Hamas geht und auch über humanitäre Hilfe gesprochen werden soll.

Israel warf der im Gazastreifen herrschenden Hamas vor, rund "eine Million Liter" Treibstoff auf Lager zu haben, diesen jedoch nicht an die Zivilbevölkerung abzugeben.

Am Flughafen der ägyptischen Küstenstadt Al-Arisch sind mittlerweile fast 30 Flugzeuge mit Hilfslieferungen aus aller Welt gelandet, sie kommen aus Ländern wie Jordanien, Algerien, Tunesien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, der Türkei, Russland, Indien und Pakistan. Zudem trafen Hilfsgüter der Weltgesundheitsorganisation (WHO), des Welternährungsprogramms (WFP) und des UN-Kinderhilfswerks Unicef ein. Letztere wurden mit von der EU organisierten Flügen ins Land gebracht, insgesamt will Brüssel 75 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Nach US-amerikanischen und israelischen Medienberichten hat US-Präsident Joe Biden Israel gebeten, die geplante Bodenoffensive zu verschieben, um die humanitäre Hilfe besser koordinieren zu können. Israelische Soldaten überquerten aber für einzelne Kommando-Aktionen die Grenze zu Gaza, die "tiefgreifenden Angriffe" dienten auch der Suche nach Menschen, die während des Großangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober als Geiseln genommen worden waren, sagte ein israelischer Armeesprecher. Im von Israel besetzten Westjordanland sollen bei Razzien Hunderte Palästinenser verhaftet worden sein, nach Angaben des israelischen Militärs sollen sich darunter 500 Hamas-Mitglieder befunden haben.

Im Süden des Libanon gingen die Auseinandersetzungen zwischen dem israelischen Militär und der Hamas unterdessen weiter. Israelische Kampfflugzeuge haben am Montag zwei Hisbollah-Zellen im Libanon getroffen, denen das israelische Militär vorwarf, Panzerabwehrraketen und Raketen auf Israel abfeuern zu wollen. Nach Angaben des Militärs wurden auch andere Ziele der Hisbollah angegriffen, darunter ein Lager und ein Beobachtungsposten. Nach Angaben der Hisbollah wurde einer ihrer Kämpfer getötet, der elfte bei den Kämpfen der zurückliegenden 48 Stunden. Auf israelischer Seite wurden die Bewohner von elf Gemeinden in der Nähe der Grenze zum Libanon aufgefordert, ihre Heimat zu verlassen.

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