G7-Gipfel in Taormina:Wie in einer richtigen italienischen Familie

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Das Gruppenfoto des G-7-Gipfels in Taormina wurde schon am Anfang geschossen - wohlweislich. (Foto: AP)

Die Staats- und Regierungschefs harmonisch in Szene zu setzen, fiel den Gastgebern beim G7-Gipfel nicht leicht: Zwischenmenschlich fehlte dem Treffen die Beschwingtheit.

Von Oliver Meiler

Familienfotos macht man normalerweise, wenn die Stimmung besonders fröhlich ist, und das ist zumeist zu später, beschwingter Stunde. Auch in den besten Familien ist das so. In Taormina aber haben sie das "Familienfoto" der Staats- und Regierungschefs aus den G-7-Staaten und ihrer Gäste aus der Europäischen Union gleich zu Beginn des Treffens gemacht - noch vor den ersten Gesprächen. Und das war wohl eine weise Entscheidung. Denn das Atmosphärische und das Zwischenmenschliche neigen bei diesem Treffen eher nicht ins Beschwingte.

In der gegenwärtigen Zusammensetzung des mächtigen Gremiums kann es sogar vorkommen, dass sich ein Familienmitglied den Weg in den besseren Fokus der Kameras einfach mal schnell freirempelt. Wobei, zuzutrauen ist das vor allem einem Herrn in der Gruppe, dem Gipfelneuling Donald Trump, dem bei dem Fototermin erneut alle Aufmerksamkeit gehörte, wenn auch aus anderem Grund: Trump kam zu spät zum Shooting.

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Das Teatro für eine "belissima figura"

Den Rahmen zum Erinnerungsbild bildete das Teatro Greco, die alte Theaterarena hoch über dem Ionischen Meer. Da kam alles wunderbar und suggestiv zusammen: die Glorie der Antike, die Schönheit der Szenerie, die Bühne der Künste. Als die Herrschaften passierten, sagte eine Moderatorin im italienischen Staatsfernsehen: "Auf diesem Gebiet ist Italien einfach unschlagbar." Natürlich hat sie recht. Die Italiener sind ganz vorzügliche und oft geistreiche Gastgeber. Für das Bild knöpfte Trump kurz sein Sakko zu, was er nicht einmal beim Papst getan hatte. Danach bauten sie im Teatro die Bühne um für den Abend, wo das Orchester der Scala, Mailands großen Opernhauses, Stücke von Rossini, Puccini und Verdi vortragen sollte. Für eine bella, eine bellissima figura. Doch ob das ausreicht, um die Stimmung zu heben?

Trump kam schon am Vorabend des Gipfels in Taormina an, nur der Japaner Shinzo Abe gewährte sich einen noch längeren Aufenthalt auf Sizilien. Die Air Force One landete nicht am Flughafen von Catania wie die Maschinen der Kollegen, sondern auf dem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Sigonella, wo Sicherheit kein Thema ist. Monatelang war in Italien darüber spekuliert worden, wo die Trumps wohl übernachten würden während des Gipfels.

In Taorminas Eisdielen gibt es eine "Coppa Trump"

Zum Schluss gab es zwei große Denkschulen dazu. Trump, behauptete die vermeintlich glaubwürdigere der beiden, würde nur für die Arbeitsgespräche eingeflogen, mit dem Hubschrauber. Nächtigen aber werde er in Sigonella oder auf einem Flugzeugträger auf offenem Meer. Die engen Gassen von Taormina seien zwar schmuck, aber sie könnten eben auch schnell zur Falle werden. Deshalb wurden in Taormina zwei Landeplätze für Helikopter gebaut, einer gleich unter dem Friedhof, was nicht allen gefiel. Doch was duldet man nicht, wenn man dafür im Zentrum der Weltöffentlichkeit stehen darf.

Nun, alles war schwadroniert, vielleicht sogar gezielt irregeleitet: Die Trumps ließen sich standesgemäß im Hotel Timeo nieder, dem besten am Platz, mitten im engen, von 7000 Polizisten und Soldaten abgeschirmten Zentrum der kleinen Stadt am Berg, und dort in der Dependance mit Supersuite, der Villa Flora, die einen eigenen Garten hat. Man könnte annehmen, dass so viel Schönheit sanft stimmt und der allgemeinen Harmonie zuträglich ist. Aber bei Trump weiß die Welt ja eher nicht so genau, woran sie ist, was ihn antreibt, wem er gerade böse oder gar sehr böse ist.

Die Gelaterie von Taormina kümmert das nicht. In den Eisdielen gibt es nun eine "Coppa Trump", mit farblicher Anlehnung an Land und Präsident: unten rote Walderdbeeren von den Hängen des Ätna, darüber eine Schicht weißes Mandeleis, dann eine weitere Lage Beeren, und oben drauf ein Zuckerhäubchen, das zunächst in Orangen- und Zitronenessenz getaucht wird, damit es, nun ja, blond-orange strahlt. Einen ciuffo aus Zucker, eine Tolle.

Im Hubschrauber rauf zum Vulkan

Als sich die Politiker zurückzogen, um an ihren vielen inhaltlichen Verstimmungen zu arbeiten, hoben ihre Ehepartner ab für das Alternativprogramm. Joachim Sauer, der Gemahl der deutschen Kanzlerin, war wieder einziger Mann in der Runde: Philip May, der Gatte der britischen Premierministerin, hielt es nach dem Attentat von Manchester für unangebracht, sich auf Sizilien zu vergnügen. Es ging im Hubschrauber rauf zum Vulkan, für einen Blick in den Krater. Der Ätna ist ein spektakulärer Berg. In den Augen der Sizilianer ist der Vulkan mehr Segen als Fluch, obschon er immer mal und erst kürzlich wieder Signale für sein bewegtes Innenleben nach außen sendet.

Dann landeten sie in Catania, wo man sie durch prunkvolle Palazzi und Museen führte. Bekocht wurden sie von Pino Cuttaia, einem Sternekoch mit Sinn für neue Interpretationen alter Klassiker der mediterranen Küche. Als Vorspeise, so hört man, gab es eine Caprese mit "pulverisierter Büffelmozzarella", was wahrscheinlich nur unmöglich klingt, dafür umso vorzüglicher schmeckt. Dann wurde geräucherter Stockfisch gereicht, Reisbällchen mit Meerbarbe, wildem Fenchel. Zum Nachtisch gab es natürlich einen "Cannolo" und eine "Granita", weil man sich auf Sizilien ein Essen ohne Teigrolle mit Ricotta und grobkörniges Sorbeteis gar nicht vorstellen mag.

Die Lokalzeitungen hatten sich die Speisekarte aller Essen beschafft, um sie detailliert weiterzugeben. Die Italiener sind eben auch auf diesem Gebiet recht unschlagbar. Vielleicht würden die Verhandlungen auch beim eigentlichen G-7-Treffen besser beim Essen stattfinden - an einer großen "Tavolata", einer Tafelrunde. Wie in einer richtigen italienischen Familie.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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