G-20-Gipfel:Wer wen versetzt

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Russlands Wladimir Putin, US-Präsident Donald Trump, Ruandas Paul Kagame, Brasiliens Michel Temer und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman beim Auftakt in Buenos Aires. (Foto: AFP)
  • In Buenos Aires hat der G-20-Gipfel 2018 begonnen.
  • Zu Beginn des Gipfels gibt es große und kleine Verspätungen, Pannen im Ablauf und in einem ausgebrannten Taxi werden Brandsätze gefunden.
  • Der wegen Menschenrechtsverbrechen angezeigte saudische Kronprinz bin Salman wird von den Gipfelteilnehmern freundlich begrüßt.

Von Boris Herrmann, Buenos Aires

Soll keiner sagen, dass alles schief läuft bei diesem G-20-Gipfel. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist am Donnerstagabend pünktlich in Buenos Aires gelandet, er wurde freundlich empfangen und ohne Zwischenfälle in sein Hotel gebracht. Ein Großaufgebot der Polizei eskortierte ihn durch die Nacht, Hubschrauber, Panzerwagen sowie eine beeindruckende Zahl an Motorrädern waren im Einsatz, was den Fernsehsender TN zu der hübschen Eilmeldung verleitete: "Trump in einer endlosen Karawane."

Donald Trump, der zuletzt mit der Verteufelung von Karawanen Schlagzeilen machte, bedankte sich für die Begrüßung, indem er sich am nächsten Morgen zum Treffen mit dem argentinischen Präsidenten Mauricio Macri verspätete. Falls der Gastgeber verärgert war, ließ er es sich nicht anmerken: "Wir haben 30 Jahre lang gewartet, dass du unser Land besuchst und jetzt sind wir sehr froh, dass du da bist", sagte Macri. Die schwerreichen Immobilien-Unternehmer verbindet eine lange Geschäftsbeziehung. Trump erzählte: "Ich kenne Mauricio seit vielen Jahren, er war ein sehr hübscher junger Mann."

Als inzwischen 59 Jahre alter Staatschef eines Landes, das sich in einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise befindet, ist Macri auf Trumps Unterstützung bei der Genehmigung von Milliardenkrediten angewiesen. Das steckte hinter dieser Demonstration einer engen Freundschaft, die allerdings nicht ganz ohne Panne ablief. Offenbar streikte Trumps Kopfhörer für die Übersetzung, er warf ihn genervt auf den roten Teppich in der Casa Rosada.

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Interview von Boris Herrmann, Buenos Aires

Einen schwerwiegenderen Lapsus leisteten sich die Argentinier beim Empfang von Emmanuel Macron. Als der französische Präsident sein Flugzeug verließ, war niemand da, um ihn abzuholen. Argentiniens Vizepräsidentin Gabriela Michetti hatte sich verspätet. Macron wurde lediglich von zwei Flughafenmitarbeitern begrüßt, einer von ihnen trug eine gelbe Warnweste - wie die Demonstranten daheim. Da hätte man gerne seine Gedanken gelesen. Vieles drehte sich zum Auftakt dieses Gipfels um die Frage, wer wen um wie viele Minuten versetzte. Manch einem der Organisatoren dürfte es deshalb ganz recht gewesen sein, dass eine Verspätung alle anderen in den Schatten stellte. Das vorherrschende Gesprächsthema in Argentinien war, weshalb es ausgerechnet die so vorbildlich organisierten Deutschen nicht hinkriegen, ein Flugzeug mit ihrer Kanzlerin pünktlich über den Atlantik zu schicken.

Angela Merkel verpasste am Vormittag nicht nur ihr Gespräch mit Macri, sondern auch den sogenannten Retiro (Rückzug), das einzige Treffen, bei dem alle Staats- und Regierungschefs unter sich waren. Erwartet wurde, dass diese ungezwungene Debatte den Tonfall der gesamten Veranstaltung setzen würde. Und so, wie es um die Gesprächsatmosphäre unter den Mächtigsten der Welt derzeit bestellt ist, hätte eine ausgleichende Kraft der Runde gewiss nicht geschadet. Die Kanzlerin soll Trump nun am Samstag treffen.

Allstar-Show der Bösewichte

Die ursprüngliche Idee von G 20 war es ja, mit Schwellenländern wie China, Russland, Brasilien, Argentinien, Saudi-Arabien und der Türkei im Dialog zu bleiben, um neben Marktwirtschaft auch Demokratie, Menschenrechte und den Klimaschutz zu fördern. Der Gipfel trug aber am Freitag Züge einer Allstar-Show der Bösewichte. Die Zollkrieger Trump und Xi Jinping, die Autokraten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan bestimmten mit ihren jeweiligen Interessen die Agenda.

Auf den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman wartete bereits bei der Landung in Argentinien eine Anzeige wegen Menschenrechtsverbrechen und wegen seiner Verstrickung in den mutmaßlichen Auftragsmord an dem Journalisten Jamal Khashoggi. Gastgeber Macri hätte theoretisch die Möglichkeit, die diplomatische Immunität des Kronprinzen aufzuheben, dann könnte er an Ort und Stelle verhaftet werden, und die Frage nach einem konkreten Gipfelergebnis hätte sich erledigt. Aber dazu wird es nicht kommen.

Etwa zu der Zeit, als Buenos Aires von einem leichten Erdbeben der Stärke 3,8 erschüttert wurde, schüttelte Macri bei der offiziellen Begrüßung bin Salman freundlich die Hand. Putin klatschte mit dem Kronprinzen sogar kumpelhaft ab. Im Plenum saßen sie nebeneinander, nahmen als erste Platz und lachten gemeinsam, während die anderen ihre Tischkärtchen suchten. Indiens Premier Modi hatte sich mit bin Salman bereits am Vorabend zusammengesetzt. Auch Macron und die britischen Premierministerin Theresa May hatten angekündigt, ihn zu einem persönlichen Gespräch zu treffen.

Möglich, dass der Gipfel noch in Unruhe endet. Die Polizei stellte am Freitag ein Dutzend Brandsätze sicher, die in einem ausgebrannten Taxi in der Innenstadt entdeckt worden waren. Wenige Stunden später demonstrierten Tausende Menschen gegen den Gipfel.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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