Frauen und Rechtsextremismus:Mehr als die Nazifreundin

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Beate Zschäpe beim Prozessauftakt vor einem Jahr. (Foto: dpa)

Hätte die Polizei früher auf die Spur des NSU-Trios kommen können, wenn sie die Rolle von Frauen in der Szene nicht unterschätzt hätte? Diese Frage stellt eine Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung. Beate Zschäpe habe bewusst das Stereotyp der friedfertigen Frau benutzt, so der Vorwurf.

Von Antonie Rietzschel

Als 2011 bekannt wurde, dass mit Beate Zschäpe auch eine Frau dem Nazi-Trio NSU angehörte, beschäftigte viele Medien vor allem: Ihr Liebesleben, ihre Beziehung zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. "Mal war sie mit dem einen zugange, mal mit dem anderen", zitierte die Bild-Zeitung einen früheren Bekannten. Ob im Spiegel oder in der Frankfurter Rundschau: sie war lediglich die Freundin und Mitläuferin. Keinesfalls sei sie eine überzeugte Rechtsextreme gewesen, so die weitläufige Meinung. Bereits damals warnte das im Jahr 2000 in Rostock gegründete bundesweite "Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus" vor der Verharmlosung der Rolle von Frauen innerhalb der Szene. Deren Engagement würde völlig unterschätzt.

Ein schwerwiegender Fehler, den auch Verfassungsschutz und Polizei bei den Ermittlungen zum NSU gemacht hätten - so der Vorwurf einer aktuellen Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung anlässlich des Jahrestages des NSU-Prozesses. "Die Verbrechen des NSU hätten in mehreren Fällen aufgedeckt werden können, wenn die Aktivitäten rechtsextremer Frauen wahr- und ernstgenommen worden wären", heißt es in der dazugehörigen Presseerklärung der Organisation, die seit 1998 bundesweit gegen Rechtsextremismus kämpft.

Das Stereotyp der "friedfertigen und unpolitischen Frau"

Indizien hierfür sieht die Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung im konkreten Umgang der Polizei mit Zschäpe selbst. So soll sie 1993 zum Teil maßgeblich an Attacken auf linke Jugendliche mitgewirkt und einer Punkerin den Arm gebrochen haben. Die Polizei habe sie mehrfach mit Waffen aufgegriffen, darunter einem Dolch. Dennoch sei sie ohne Vorstrafe geblieben. "Frauen gelten in den Sicherheitsbehörden und den Medien - zu dieser Zeit vielleicht noch mehr als heute - zumeist nur als Anhängsel von rechtsextremen Männern", heißt es weiter in der Broschüre. Die Verfasser zitieren außerdem Zeugenaussagen aus dem Prozess, wonach Zschäpe von Nachbarn als gesellig und unauffällig beschrieben wird. Die Rechtsextremistin habe das Stereotyp der "friedfertigen und unpolitischen Frau" gezielt genutzt.

Auch mit den weiblichen Helferinnen des NSU-Trios beschäftigt sich die Stiftung. Besonders mit Mandy S., die in der rechtsextremen Szene den Spitznamen "White Power Mandy" trug. Sie soll Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1998 bei ihrem damaligen Freund einquartiert und unterstützt haben. 2007 verpasste die Polizei nach Einschätzung der Verfasser der Broschüre die Chance, Mandy S. und damit dem NSU-Trio auf die Spur zu kommen.

Um die Mordserie an Kleingewerbetreibenden mit türkischem und griechischem Migrationshintergrund auf ein rassistisches Motiv hin zu untersuchen, wollten die Ermittler eine Rasterfahndung im Raum Nürnberg durchführen. Sie ließen sich vom bayerischen Verfassungsschutz eine Liste aller Rechtsextremisten der Region geben. Darunter auch Mandy S.. Doch die Fahnder schlossen bei der Präzisierung der Liste Männer bestimmter Altersgruppen aus sowie alle Frauen. "Die Einschätzung, die rechtsextremen Frauen für nicht überprüfenswert zu halten, dürfte hierbei auf Grundlage geschlechtsspezifischer Stereotype getroffen worden sein", heißt es in der Broschüre.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung will über Frauen in der rechtsextremen Szene aufklären - und hat deswegen mittlerweile eine spezielle Gender-Fachstelle eingerichtet, die sich mit dem Thema beschäftigt. Denn die Rolle von Frauen in der rechtsextremen Szene wird immer noch zu selten thematisiert und mitunter verharmlost. Die Rechtsextremismusforschung klammerte sie sogar lange Zeit aus.

Mittlerweile ist klar: Rechtsextreme Frauen sind genauso fremdenfeindlich und rassistisch wie die Männer aus dieser Szene. Sie organisieren sich in Kameradschaften und Parteien und nehmen unterschiedliche Rollen ein.

Da ist zum Beispiel Maria Fank. Gemeinsam mit ihrem Freund, dem NPD-Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke führte sie im vergangenen Jahr die Proteste gegen das Flüchtlingsheim in Marzahn-Hellersdorf an. Bei Demonstrationen stand sie in der ersten Reihe, brüllte ins Mikrofon. Sich selbst beschreibt Fank als noch radikaler als ihren Freund Schmidtke. Der wolle zumindest auf sehr junge Flüchtlingskinder Rücksicht nehmen.

Es gibt sehr aggressive Frauen in der Szene. Charlotte K. soll zum Beispiel gemeinsam mit anderen Neonazis eine linke Kneipe in Dortmund überfallen haben. Für einen jungen Mann endete der Abend mit einem angebrochenen Nasenbein, je einem Messerstich in Schulter und Hüfte, und Stiefelabdrücken im Gesicht ( Bericht aus dem Gerichtssaal).

Machtbewusstes Verhalten

Dass die rechtsextremen Frauen aber auch mit wechselnden Ansprüchen an ihre Rolle zu kämpfen haben, zeigen die jüngsten Entwicklungen im Ring Nationaler Frauen (RNF), der Frauenorganisation der NPD. Bis vor Kurzem führte Sigrid Schüßler den RNF an, die scharfe Reden auf NPD-Veranstaltungen hielt, aber auch mit sexuell konnotierten Auftritten provozierte ( Ein Porträt). Von der propagierten Züchtigkeit der deutschen Mutter keine Spur. Ende März wurde sie jedoch aus dem Vorstand gedrängt.

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Statt ihrer übernahm die mit einem Neonazi verheiratete Ricarda Riefling die Führung. Auch die vierfache Mutter war einst für ihr machtbewusstes Verhalten bekannt. In einem Interview mit dem Tagesspiegel sagte sie 2011, sie könne sich vorstellen, dass mal eine Frau NPD-Vorsitzende werden könne - eine Drohung gegen die männlichen Parteikollegen. Solche markigen Äußerungen sind selten geworden, sie beschäftigt sich vor allem mit Familienpolitik - ein Thema auf das rechtsextreme Frauen von den Männern in der Szene oft festgelegt werden. Riefling deutet in ihrer Erklärung an, einen traditionelleren Weg als Schüßler gehen zu wollen: "Wir sind antifeministisch, traditionsbewusst und volkstreu."

Trotz ihres Engagements würden Neonazi-Frauen noch immer nicht als Aktivistinnen wahrgenommen, sagt Michaela Köttig, Gründerin des Forschungsnetzwerks "Frauen und Rechtsextremismus. "Man kann sich einen solchen politischen Hintergrund einfach nicht vorstellen." Selbst nach einem Jahr vor Gericht erwarteten viele von der mutmaßlichen Terroristin Beate Zschäpe noch immer, dass sie Reue zeige. "Aber wieso sollte sie das, wenn sie überzeugt von ihrer Ideologie ist?", fragt Köttig. Zschäpe transportiere das Klischee eines netten Mädchens, das nur als Geliebte eines Neonazis in die Szene gerutscht sei. "Doch wer 13 Jahre im Untergrund lebt, tut das nicht, weil er mit zwei Jungs ins Bett gehen will. Das macht man aus politischer Überzeugung."

Mit Material von dpa.

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