Französischer Militäreinsatz in Mali:Applaus für den General

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Frankreichs Staatsoberhaupt Hollande gibt sich als Befehlshaber und gewinnt damit national und international an Profil. Der Militäreinsatz in Mali könnte zum Wendepunkt einer bislang matten Präsidentschaft werden. In welche Richtung, ist noch offen. Und die Risiken sind groß - für die Soldaten, Hollande und sein Land.

Von Stefan Ulrich, Paris

Frankreich hat seinen Kampfeinsatz gegen die Rebellen in Mali nach dem Serval benannt, einer Wildkatze. Der Serval zeigt starkes Revierverhalten und markiert sein Gebiet mit Duftmarken. Auch der französische Präsident setzt mit seiner Intervention in Afrika starke Zeichen. François Hollande, oft als Zauderer gescholten, gibt sich jetzt entschlossen, seine Machtposition im Élysée-Palast auszufüllen und als Oberbefehlshaber der Armee zu agieren. Täglich hält er Kriegsrat - Verteidigungsrat genannt - mit Ministern und Generälen. Der Nation verkündete er am Wochenende: "Unseren Gegnern wurden schwere Verluste zugefügt." Der Kampf gehe weiter.

Es ist ein altes Phänomen der Politik: Wer innenpolitisch in Schwierigkeiten steckt, sucht außenpolitisch den Befreiungsschlag. Hollande befand sich in Schwierigkeiten, seine Umfragewerte waren miserabel. Dennoch sollte man ihm nicht unterstellen, er ziehe deshalb in den Krieg, um von heimischen Problemen abzulenken. Hollande möchte eigentlich mit der Anmaßung seiner Vorgänger brechen, als Gendarm in Afrika aufzutreten und frankophone Länder wie Noch-Kolonien zu behandeln.

Françafrique, jenes politisch-wirtschaftliche Interessengeflecht zwischen den Regierenden in Paris und afrikanischen Regimen, soll aufgelöst werden. Noch vor wenigen Tagen lehnte es Hollande ab, in der Zentralafrikanischen Republik einzugreifen, um die Regierung zu schützen.

Auch in Mali wollte Hollande nicht direkt militärisch intervenieren, sondern den Afrikanern nur mit Logistik, Ausbildern und diplomatischer Unterstützung helfen. Nun vollzog er eine Kehrtwende. Die Franzosen stehen plötzlich an vorderster Front. Die Risiken sind groß - für die Soldaten, den Präsidenten und sein Land.

Die ersten Franzosen sind bereits gefallen, beim Einsatz in Mali und bei einer gescheiterten Aktion zur Befreiung eines Geheimagenten in Somalia. In Frankreich selbst könnte es zu Anschlägen kommen. Die Regierung verschärfte daher den Anti-Terror-Plan Vigipirate. Die Pariser Metro, Flughäfen und öffentliche Gebäude werden stärker bewacht. In Mali selbst besteht für die Franzosen die Gefahr, immer stärker in den Konflikt hineingezogen zu werden.

Eingriff vorm Kollaps

Diesen Risiken zum Trotz sah sich der Präsident zum Eingreifen gezwungen. Die internationale Politik mit dem UN-Sicherheitsrat und der westafrikanischen Staatengruppe Ecowas hielt nicht mit den Rebellen in Mali Schritt. Als jetzt der Kollaps der malischen Armee und ein Durchmarsch der Islamisten in die Hauptstadt Bamako drohte, handelte Hollande auf Bitte des malischen Präsidenten. Am Freitagnachmittag begannen französische Einheiten, Konvois der Rebellen zu beschießen.

Frankreich ist militärisch in der Region stark präsent. In Burkina Faso sind Spezialeinheiten stationiert. Im Tschad hat die französische Luftwaffe Hunderte Soldaten mit Mirage-Jets, Aufklärungs- und Transportflugzeugen stationiert. Zudem trafen am Samstagabend französische Soldaten aus dem Tschad und der Elfenbeinküste in Mali ein. Weitere sollen direkt aus dem Mutterland eingeflogen werden. Auch in Niger und in Mauretanien sind die Franzosen militärisch präsent. Sie verfügen über dauerhafte Basen in Gabun, in Senegal und in Dschibuti. Die französische Armee ist zudem mit den Kampfzonen in Afrika vertraut und hat Erfahrungen in Afghanistan gesammelt. Dies wird ihr beim Krieg in Mali nutzen.

Wie weit Hollande dabei gehen will, ist unklar. Sein Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian schloss nicht aus, dass sich französische Soldaten bis nach Timbuktu vorkämpfen. Am Sonntag begannen französische Kampfflugzeuge damit, Stellungen der Islamisten auch im Norden zu bombardieren, unter anderem in der Provinzhauptstadt Gao. Überraschend erteilte die algerische Regierung französischen Rafale-Jets eine Überfluggenehmigung. Daraufhin griffen vier Maschinen von Frankreich aus in die Kämpfe ein.

Lob kommt teils sogar von der Opposition

In Frankreich stieß der Mali-Einsatz des Sozialisten Hollande auf viel Lob, auch von der rechten Opposition. "Der Kampf gegen den Terrorismus erfordert die Einheit der Nation", sagte Ex-Premier François Fillon. Politiker der Grünen und der radikalen Linken kritisierten jedoch, dass das Parlament erst nachträglich - an diesem Montag - über die Intervention informiert werde. Eine Abstimmung ist nicht geplant.

Die Medien beurteilten den Einsatz zumeist positiv. Hollande habe einen "spektakulären Rückhalt der ganzen internationalen Gemeinschaft", lobte die linke Libération. Er habe gehandelt, um zu verhindern, "dass im Herzen des schwarzen Kontinents ein Terror-Staat entsteht". Einziges Ziel der Operation sei es, den Terrorismus zu bekämpfen, betonte der Präsident. Ähnlich drückte sich Le Drian aus. "Frankreich steht im Krieg gegen den Terrorismus", sagte er. "Wenn wir nicht rasch gehandelt hätten, gäbe es keinen malischen Staat mehr. Jetzt ist es unser Ziel, die Integrität Malis wiederherzustellen."

Die Regierung in Paris will den Eindruck vermeiden, sie verfolge mit der Militärintervention eigene Interessen und kehre zu Françafrique zurück. Hollande argumentiert, sein Einsatz sei als eine Art Nothilfe für Mali vom UN-Sicherheitsrat gedeckt. Er wolle die Regierung in Bamako stützen, bis die afrikanischen Staaten aktiv werden.

Wenn der Terror auf Frankreich übergreift

Die ehemalige Kolonialmacht fühlt sich direkt in der Verantwortung, zu verhindern, dass Mali im Islamismus versinkt und andere instabile Staaten der Region mitreißt. Zudem sieht sich Frankreich unmittelbar vom Vordringen eines gewalttätigen Islamismus im Norden und Westen Afrikas bedroht. Da in Frankreich viele Menschen aus dieser Region leben, kann der Konflikt leicht übergreifen und der Terror in französischen Städten aufflammen. Auch wirtschaftliche Interessen spielen eine wichtige Rolle für das französische Interesse an der Region. Der Nuklearkonzern Areva bezieht aus Niger Uran für europäische Atomkraftwerke. Auch in Mali gibt es Uranvorkommen.

Je schneller General Hollande das Kommando in Mali an die afrikanischen Staaten übergeben kann, umso leichter wird er dem Vorwurf begegnen, Frankreich handle doch nur aus egoistischen Motiven. Bislang darf sich der Kriegspräsident enormer Zustimmung im In- und Ausland erfreuen. Das kann sich ändern, wenn mehr französische Soldaten fallen, Luftschläge malische Zivilisten töten oder Bomben in französischen Städten hochgehen. Der Mali-Einsatz könnte zum Wendepunkt einer bislang matten Präsidentschaft werden. In welche Richtung, ist noch offen.

© SZ vom 14.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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