Frankreich:Die Gewalt auf der Straße eskaliert

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In Nanterre zünden Jugendliche Autos an. Auch in etlichen anderen Städten gab es erneut gewaltsame Proteste nach dem Tod eines 17-Jährigen durch die Polizei. (Foto: Christophe Ena/dpa)

Nach den tödlichen Schüssen auf einen Teenager durch die Polizei kommt es im Großraum Paris und mehreren Städten im ganzen Land zu Protesten und Ausschreitungen. Autos und sogar Rathäuser gehen in Flammen auf.

Von Thomas Kirchner

Es ist gekommen wie befürchtet, die Appelle zur Besonnenheit waren offensichtlich vergeblich. Nach dem Tod eines 17-Jährigen durch eine Polizeikugel in Nanterre bei Paris eskaliert die Gewalt in Frankreich. In der Nacht kam es im ganzen Land zu weiteren Protesten und Ausschreitungen, nachdem es bereits zuvor Unruhen gegeben hatte.

Betroffen waren Dutzende Städte, vor allem aber der Großraum Paris. Allein dort wurden laut der Präfektur bis zwei Uhr nachts mindestens 77 Personen festgenommen. Insgesamt kam es Behördenangaben zufolge zu mehr als 150 Festnahmen, Innenminister Gérald Darmanin sprach auf Twitter von "unerträglicher Gewalt". Er verurteilte "jene, die nicht zur Ruhe aufgerufen haben". Präsident Emmanuel Macron traf um acht Uhr morgens mehrere Minister im Innenministerium zu einem Krisentreffen.

In Nanterre, wo der getötete Jugendliche lebte, schossen Demonstranten mit Feuerwerkskörpern auf die Polizei, bewarfen sie mit Molotow-Cocktails und setzten Autos in Brand. Die Ordnungskräfte mussten das Viertel Pablo Picasso verlassen. Das Gebiet um ein Kraftwerk musste wegen Explosionsgefahr evakuiert werden. 2000 Einsatzkräfte waren mobilisiert worden, um die Protestierenden in Schach zu halten, 800 mehr als in der Nacht zuvor.

Ausschreitungen gab es auch in Städten, wo sie bisher nicht vorgekommen sind

Aus Paris selbst wurden mehrere Feuer gemeldet, die Feuerwehr bat die Bevölkerung, die Rettungswege möglichst frei zu lassen. Zwischenfälle, Brände, Gewalt und Zusammenstöße wurden unter anderem auch aus Lille, Toulouse, Lyon, Dijon, Clermont-Ferrand und Amiens gemeldet. Geschäfte, Autos, Lastwagen wurden angezündet, von überall kamen ähnliche Bilder, zum Teil auch aus Städten, in denen solche Ausschreitungen bisher nicht vorgekommen waren.

Im Visier hatten die Protestierenden vor allem Rathäuser, Schulen und andere Institutionen der Republik. Auch ein Gefängnis wurde angegriffen. In Mons-en-Barœul bei Lille wurden die Räume der Stadtverwaltung komplett zerstört, anderswo eine Polizeistation sowie mehr als ein Dutzend davor parkende Polizeifahrzeuge. In Clamart in der Region Hauts-de-Seine ging eine ganze Straßenbahn in Flammen auf.

Der 17 Jahre alte Nahel war am Dienstag bei einer Verkehrskontrolle erschossen worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatte er zuvor einer Aufforderung zum Anhalten seines Wagens nicht Folge geleistet. Die Justiz ermittelt gegen einen Polizeibeamten wegen vorsätzlicher Tötung. Präsident Macron hatte die Tat als "unentschuldbar und unerklärbar" verurteilt und zur Ruhe aufgefordert. Es gebe nichts, was den Tod des Jungen rechtfertige. Die Familie des Getöteten hat für diesen Donnerstag zu einem "Weißen Marsch" in Nanterre aufgerufen.

Mehrere Politiker der Linken haben ihr Kommen angekündigt, auch der Kommunist Fabien Roussel. Patrick Jarry, der ebenfalls linksgerichtete Bürgermeister von Nanterre, empfahl den Demonstranten, keine Gewalt anzuwenden. Dann seien solche Märsche "viel wirkungsvoller".

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