Frachter Taipan:Piraten vor Gericht

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Zehn somalischen Seeräubern soll in Hamburg der Prozess gemacht werden. Das ist ebenso neu wie kompliziert - denn die Piraten könnten im stabilen Deutschland um Asyl bitten.

Ralf Wiegand

Zuletzt kaperten somalische Piraten am vergangenen Sonntag ein Schiff in der Nähe der Seychellen. Die Rak Afrikana fuhr unter der Flagge von St.Vincent und den Grenadinen und hatte einen Maschinenschaden, kurz bevor die Kidnapper an Bord kamen. Drei Tage zuvor überfielen Seeräuber in den gefährlichen Gewässern ein türkisches Schiff, verließen es aber bald wieder - es war nichts Wertvolles an Bord.

Längst nicht mehr jede Meldung wird überhaupt weltweit verbreitet, es sind einfach zu viele: Hier gerät ein Schiff in Gefangenschaft, dort wird eines gegen Millionenzahlungen ausgelöst, an anderer Stelle eines von Soldaten befreit. Die moderne Piraterie ist ein Geschäftsmodell im Golf von Aden - die Schwere des Verbrechens solch hinterhältiger Angriffe gerät dabei beinahe in den Hintergrund. Der Prozess gegen zehn mutmaßliche somalische Piraten könnte nun diese Routine durchbrechen: Es wäre die erste Gerichtsverhandlung dieser Art in Deutschland.

Mindestens fünf Jahre Haft stehen auf versuchten räuberischen Menschenraub und den Angriff auf den Seeverkehr. Die Männer hatten Anfang des Monats den unter deutscher Flagge fahrenden Frachter Taipan überfallen. "Es handelt sich bei den Tatvorwürfen um ein schweres Verbrechen", sagt Ulrich Staudigl, Sprecher des Bundesjustizministeriums. Ohne einen Prozess im Hamburger Landgericht bliebe es womöglich ungesühnt.

Nach Informationen des Bundesjustizministeriums ereignete sich der Überfall auf die Taipan außerhalb der 500-Meilen-Zone, in der das Mandat der multinationalen EU-Anti-Piraten-Mission "Atalanta" gilt. Piraten, die in diesem Gebiet festgenommen werden, kamen bisher in Kenia vor Gericht. Mit dem Land hat die EU entsprechende Abkommen getroffen. Bisher, so der Justizsprecher, "hat eine Auslieferung nach Deutschland deshalb noch nie zur Debatte gestanden".

Das ist jetzt anders. Die Somalier, die die Taipan geentert hatten, waren von der Besatzung des niederländischen Marineschiffs Tromp verhaftet worden. Die internationale Besatzung des deutschen Schiffes mit Heimathafen Hamburg blieb unversehrt, ein Soldat wurde leicht verletzt, die Seeräuber wurden festgenommen.

Politisch brisant und medienwirksam

Außerhalb der Atalanta-Grenzen fühlt sich jedoch weder die ohnehin überlastete Justiz Kenias noch die eines anderen afrikanischen Landes zuständig, ebenso wenig wie die niederländischen Behörden, die nur Überfälle auf Schiffe unter ihrer Flagge zur Anzeige bringen. Deshalb kam die Hamburger Justiz, Gerichtsort für Überfälle auf Hamburger Schiffe, ins Spiel - und erließ Haftbefehle mit Auslieferungsgesuch an die niederländischen Behörden.

Noch befinden sich die Piraten dort in Obhut, sie werden laut Staatsanwaltschaft womöglich noch diese Woche in den Niederlanden eintreffen. Erst dann werde über den Auslieferungsantrag entschieden.

Hätte Hamburg die Haftbefehle nicht ausgestellt, "wäre wohl keine Strafverfolgung gewährleistet gewesen", sagte der Justizsprecher. Daher habe die Bundesregierung gegen einen Auslieferungsantrag keine Bedenken erhoben. Diese Zustimmung musste sich das Land Hamburg in einem solch politisch brisanten und medienwirksamen Fall holen.

Lieber in der Zelle als in der Heimat

Ohne Auslieferungsantrag hätten auch die Niederländer die Piraten wahrscheinlich nicht in ihrer Obhut behalten, geschweige denn nach Europa gebracht. So hatten die Niederländer erst im Dezember 13 Piraten freilassen müssen, weil niemand ihnen den Prozess machen wollte. Sie hatten tansanische Fischer gekidnappt.

Das Bundesjustizministerium wehrt sich unterdessen gegen die Darstellung, bisher habe sich die Bundesregierung gegen solche Auslieferungsverfahren gesträubt. "Es waren noch nie solche Diskussionen notwendig", sagte Staudigl - weil sich die vergangenen Fälle innerhalb des Atalanta-Mandats ereigneten und daher die kenianische Justiz die Gefangenen übernommen habe. Die an Atalanta beteiligten Nationen werden so davor bewahrt, somalische Piraten erst in ihren Gefängnissen aufnehmen und ihnen dann womöglich Asyl gewähren zu müssen. Bei einem Prozess in Rotterdam hatten fünf Somalier erklärt, lieber in niederländischen Zellen als in ihrer ausgezehrten Heimat leben zu wollen.

Auch diese Seite dürfte ein Prozess beleuchten: Viele somalische Männer sehen in der Piraterie ihre einzige Überlebenschance. Nach Überstellung der Beschuldigten hat die Staatsanwaltschaft sechs Monate Zeit, Anklage zu erheben. Wann der Prozess beginnen könnte, ist offen.

© SZ vom 14.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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