Afghanistan:Hunderte Menschen drängen sich in US-Militärmaschine

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7 bei den Deutschen, 640 bei den Amerikanern: Die US-Piloten flogen trotzdem los, es ist ein ebenso couragierter wie seltener Akt. (Foto: COURTESY OF DEFENSE ONE/REUTERS)

Dicht an dicht sitzen etwa 640 Zivilisten aus Kabul auf dem Boden eines Flugzeugs. Es ist eigentlich für viel weniger Passagiere ausgelegt. Doch die Besatzung zwingt die Menschen nicht von Bord.

Ein Flugzeug der US-Luftwaffe hat einem Medienbericht zufolge mit einem einzigen Flug etwa 640 afghanische Zivilisten in Sicherheit gebracht. Die Internetseite Defense One veröffentlichte ein Foto des vollgepackten Innenraums der Transportmaschine vom Typ C-17, in dem die Afghanen auf dem Boden sitzen - der vor lauter Menschen nicht mehr zu sehen ist.

Defense One berichtete, panische Afghanen hätten sich in Kabul über die halboffene Rampe ins Flugzeug gezogen. Die Besatzung habe sich entschieden zu fliegen, statt die Menschen wieder von Bord zu zwingen. Aus Sicherheitskreisen habe es geheißen, nach der Landung in Katar seien 640 Zivilisten aus der Maschine ausgestiegen. Nach Angaben des Herstellers Boeing ist die riesige Frachtmaschine eigentlich nur für bis zu 134 Passagiere ausgelegt.

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Von Sonja Zekri

Das US-Verteidigungsministerium bestätigte den Bericht zunächst nicht. In Kabul war es am Montag zu Chaos am Flughafen gekommen. Afghanen, die vor den Taliban fliehen wollten, rannten auf das Flugfeld, um in Sicherheit gebracht zu werden. Der Flugverkehr musste zeitweise eingestellt werden.

Deutsches Flugzeug nimmt nur sieben Menschen mit

Die US-Maschine startete also überfüllt mit Hunderten Afghanen, ein deutsches Militärflugzeug hingegen hob mit nur sehr wenigen Passagieren ab. Die erste Rettungsmaschine der Bundeswehr brachte gerade einmal sieben Menschen aus Kabul in Sicherheit.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte am Morgen in der ARD gesagt, dass der Flug unter äußerst schwierigen Bedingungen erfolgt sei. "Wir haben eine sehr unübersichtliche, gefährliche, komplexe Situation am Flughafen, vor allen Dingen durch die Menschenmengen", sagte die CDU-Politikerin.

Offiziell ist der Airbus A400M für 114 Passagiere ausgelegt. Während der Aktion hätten aber bis zu 150 Menschen transportiert werden können. Bei den sieben Ausgeflogenen handelt es sich um fünf Deutsche, eine Person aus einem anderen europäischen Land und eine afghanische Ortskraft, die für die Bundeswehr oder ein Bundesministerium tätig war oder ist. Mehr Menschen konnten die Maschine auf dem Rollfeld nicht erreichen, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Ein Zugang für Personen, die sich am zivilen Teil des Flughafens aufgehalten hätten, sei "von den Partnern, die die Sicherheitsverantwortung am Flughafen ausüben, nicht ermöglicht" worden.

Das Flugzeug habe den Flughafen außerdem nach kurzer Zeit wieder verlassen müssen. "Aufgrund der gerade abends und nachts äußerst gefährlichen Lage auf den Zufahrtswegen zum Flughafen wäre es ein untragbares Risiko für Leib und Leben der Menschen vor Ort gewesen, die zu Evakuierenden vor Erteilung der Landeerlaubnis und vor Sicherung des Zugangs durch Bundeswehrkräfte aufzurufen, sich zum Flughafen zu begeben."

Der Unionsfraktionsvize im Bundestag, Johann Wadephul, sagte im Deutschlandfunk, man habe nur einen Slot von 30 Minuten für die Maschine gehabt. "Und wir konnten nur die mitnehmen, die jetzt da waren. Es wäre auch unverantwortlich gewesen, weil gar nicht sicher war, dass die Maschine landen konnte, mehr dort jetzt schon zum Flughafen zu bringen." Der wesentliche Zweck des Fluges sei aber gewesen, "robuste Kräfte" nach Kabul zu bringen. Diese Soldaten würden nun die Voraussetzungen dafür schaffen, dass weitere Maschinen in Kabul landen und starten könnten.

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