Stuttgart:Flüchtlingsrat kritisiert Migrationspolitik der Grünen

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Seán McGinley, Leiter Geschäftsstelle Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Wenige Monate vor der Landtagswahl ist der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg vor allem mit den Grünen hart ins Gericht gegangen. "Baden-Württemberg ist immer an...

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Stuttgart (dpa/lsw) - Wenige Monate vor der Landtagswahl ist der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg vor allem mit den Grünen hart ins Gericht gegangen. „Baden-Württemberg ist immer an der Front der Hardliner, wenn es um Gesetzesverschärfungen geht“, sagte der Leiter der Stuttgarter Geschäftsstelle, Seán McGinley, der Deutschen Presse-Agentur. Das Land sei Teil der Abschottungspolitik und gegen neue Aufnahmeprogramme. „Die Grünen in anderen Bundesländern haben als kleiner Koalitionspartner mehr durchgesetzt als in dem Land, wo die Grünen angeblich die Regierung führen“, sagte McGinley.

Als konkretes Beispiel nannte er, dass es kein offenes Beratungsangebot in der Abschiebungshafteinrichtung Pforzheim gebe. „Das gibt es sogar in Bayern!“ In Pforzheim hingegen könnten Helfer der Wohlfahrtsverbände nur mit Anmeldung wie reguläre Besucher in die Einrichtung, müssten also konkrete Namen ihrer Kontakte kennen. Besser wäre, wenn die Inhaftierten wüssten, dass zu einer bestimmten Zeit wöchentlich ein Ansprechpartner bereitsteht. Sonst seien die rechtsstaatlichen Prinzipien außer Kraft gesetzt, mahnte McGinley.

Er beklagte mangelnde politische Unterstützung und sprach von einem „Armutszeugnis“. „Wenn die Grünen sich nicht offiziell dazu äußern und Druck auf den Koalitionspartner machen, müssen sie sich den Schuh anziehen.“ Er habe aber den Eindruck, dass es inzwischen quasi zwei Landesregierungen gebe: „Grüne und CDU haben sich das aufgeteilt, machen die Arbeit in ihren Ressorts und lassen nicht mit sich reden.“

Daniel Lede Abal, Sprecher der Landtags-Grünen für Migration und Integration, sagte: „Sowohl in Baden-Württemberg als auch auf Bundesebene sind die Innenressorts unionsgeführt.“ Gerne hätten die Grünen ein eigenes Landesaufnahmeprogramm für Bewohner des zerstörten Aufnahmelagers in Moria auf der griechischen Insel Lesbos aufgelegt. „Mit unserem Koalitionspartner sind weitere Aufnahmeprogramme jedoch schwierig“, sagte Lede Abal. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) blockiere erst recht alle Aufnahmeprogramme der Länder.

Die Grünen setzten aber Zeichen in der Flüchtlingspolitik sowohl im Land als auch auf Bundesebene, sagte Lede Abal. Er verwies unter anderem auf eine Initiative im Bundesrat zur Duldung Geflüchteter, die zur Hochphase des Flüchtlingszugangs nach Deutschland kamen. „Jetzt ist der Gesetzgeber im Bund gefragt.“ In zahlreichen Fällen setzen sich die Grünen in Baden-Württemberg beim Innenministerium für Geflüchtete ein, „denen die Abschiebung droht oder die aus für uns aus humanistisch nicht nachvollziehbaren Gründen abgeschoben wurden“, sagte er. „Teilweise mit Erfolg.“ Und wo Handlungsspielraum bestehe, werde er genutzt: „So nimmt Baden-Württemberg überdurchschnittlich viele unbegleitete minderjährige Asylbewerber auf.“

Mit Blick auf die Pforzheimer Abschiebehafteinrichtung erklärte Lede Abal, eine Delegation von Grünen-Abgeordneten aus dem Innenausschuss des Landtags habe diese besucht. „Wir sehen das Fehlen einer offenen Beratung sehr kritisch.“ Geplant sei jetzt ein Runder Tisch, bei dem Vertreter aus dem Innenministerium und den Behörden, zivilgesellschaftliche Akteure und Landtagsabgeordnete an Verbesserungen arbeiten.

McGinley wiederum hob positiv das Engagement der Regierung um Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) beim Aufnahmeprogramm für jesidische Frauen hervor. Die Beratung durch Wohlfahrtsverbände in den Erstaufnahmeeinrichtungen und die Einrichtung einer sogenannten Härtefallkommission seien ebenfalls gute Entscheidungen gewesen. Andersrum sei Kretschmann „Überzeugungstäter“ und habe schon früher in manchen Punkten eine andere Flüchtlingspolitik vertreten als es Linie seiner Partei gewesen wäre, monierte McGinley.

Für die Landtagswahl im März setzt der Flüchtlingsrat daher auch nicht auf bestimmte parteipolitische Konstellationen, wie McGinley sagte. Wichtig sei, dass die Kandidaten die Themen kennen und dann auch umsetzten. Nach wie vor engagierten sich viele Menschen in der Flüchtlingshilfe. „Das ist keine kleine Szene, kein kleines Häufchen“, so McGinley. „Wir müssen alle diese Themen platzieren.“

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