Slowakei:"Sie denken wirklich, dass in Kiew Krieg ist?"

Lesezeit: 2 min

Bundeskanzler Olaf Scholz und Robert Fico, Ministerpräsident der Slowakischen Republik. (Foto: Kay Nietfeld/DPA)

Der slowakische Ministerpräsident schimpft zu Hause immer wieder auf die Ukraine. Beim Besuch dort und in Berlin schlägt er aber plötzlich ganz andere Töne an.

Von Daniel Brössler und Viktoria Großmann, Berlin/Warschau

Olaf Scholz versucht es erst einmal mit Lob. "Die Slowakei ist als direktes Nachbarland besonders vom russischen Überfall auf die Ukraine betroffen, und sie leistet - das möchte ich ausdrücklich erwähnen - große Unterstützung durch die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter", sagt der Bundeskanzler gleich nach der Begrüßung des slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico in Berlin. Die Haltung der Slowakei sei von Beginn des russischen Angriffskrieges an "klar an der Seite der Ukraine" gewesen. Das begrüße er. Scholz weiß natürlich, dass diese Haltung seit Amtsantritt des Populisten Fico keineswegs mehr so klar ist.

Deshalb fährt er mit einer Mahnung fort. Er warne vor der "Vorstellung, dass die Fortdauer dieses furchtbaren Krieges nur einer Sprachlosigkeit zwischen Moskau und Kiew geschuldet ist". Kein Land sehnt sich mehr nach Frieden als die Ukraine, aber nach zwei Jahren Krieg sei eine einfache Lösung nicht in Sicht ist. Präsident Wladimir Putin könne den Krieg jederzeit beenden. "Aber wenn die Ukrainerinnen und Ukrainer aufhören, sich zu verteidigen, ist es das Ende der Ukraine", sagt Scholz.

Auch beim Besuch Ficos in Uschhorod ertönte Luftalarm

Fico hatte am selben Tag in der westukrainischen Stadt Uschhorod gleich hinter der slowakischen Grenze den ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal getroffen. Dass er nicht nach Kiew fahre, hatte Fico vorher erklärt, habe nichts damit zu tun, dass er Angst vor dem Krieg habe. "Sie denken wirklich, dass in Kiew Krieg ist? Das meinen Sie hoffentlich nicht ernst", hatte Fico am Dienstag zu Journalisten gesagt. "Dort ist ganz normaler Alltag." Auch in Uschhorod aber ertönte am Mittwoch Luftalarm, auch dort gibt es Gräber von im Krieg gegen die russischen Angreifer gefallenen Soldaten.

Erneut zeigte Fico in der Ukraine, dass er anders redet, als er handelt. Bei dem Treffen mit Schmyhal versprach er weitere Hilfe und Unterstützung, wiederholte, dass er nichts dagegen habe, wenn slowakische Firmen Waffen an die Ukraine verkauften. In einer Pressemitteilung der slowakischen Regierung zu dem Treffen heißt es, Fico habe Schmyhal gesagt, dass er nicht an eine "militärische Lösung des Konflikts" glaube. Die slowakische Regierung unterstützte "jeden Friedensplan". Außerdem habe Fico Unterstützung beim EU-Beitritt angeboten, die Slowakei könne mit ihren Erfahrungen der Ukraine helfen.

Durch die Ukraine fließt noch immer russisches Gas in die Slowakei. Die beiden Ministerpräsidenten verständigten sich darüber, dass das auch so bleiben solle. Außerdem besprachen sie Infrastrukturprojekte. So soll der gemeinsame Grenzübergang modernisiert und die Zugverbindung zwischen dem ostslowakischen Košice und Kiew verbessert werden.

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Fico erklärte, er komme nicht mit leeren Händen. Die Regierung stelle humanitäre Hilfe im Umfang von mehr als 200 000 Euro bereit und schicke acht gebrauchte Sanitätswagen. Zudem finanziert die Slowakei den Kauf von Minenräumgeräten des Typs Božena, die in der Slowakei hergestellt werden. Er könne sich vorstellen, dieses Programm weiterzuführen, sagte Fico.

In Berlin sucht Fico die Balance. Er möchte nicht abrücken von seiner Position, aber offenen Streit mit dem Ukraine-Unterstützer Scholz will er auch nicht. "Ich freue mich sehr, dass wir in den außenpolitischen Fragen auch eine gemeinsame Sprache finden", behauptet der Slowake. Erst auf Nachfrage räumt er ein, dass das nicht ganz stimmt. "Wir glauben nicht daran, dass der Konflikt in der Ukraine militärisch gelöst werden kann", sagt Fico. Er sei ein "souveräner slowakischer Politiker, und es ist nicht meine Pflicht, das zu erzählen, was die Politiker in großen Ländern erzählen, nur weil sie es erzählen". Die unterschiedlichen Positionen belasteten aber nicht die bilateralen Beziehungen. Auch der Reparaturbetrieb für von Deutschland an die Ukraine gelieferte Waffen in Michalovce könne weiterarbeiten.

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