Die FDP hat geschafft, was viele Parteien gerne ankündigen, aber selten umsetzen: einen neuen Anfang. Wer sie mit der FDP von 2013 vergleicht, muss zugeben: die Liberalen von Christian Lindner stehen auf neuen Füßen. Sie sind durchs tiefste Tal gegangen und jetzt auf einer Anhöhe angekommen, die unerreichbar schien vor vier Jahren.
Gemessen daran, wie zerstritten und zerrüttet die Liberalen am Wahlabend 2013 dastanden, ist das eine fast schon wundersame Entwicklung. Bei genauerem Blick aber ist auch ein zweiter Gedanke richtig: Erst durch die fürchterliche Niederlage vom September 2013 ist der Wiederaufstieg in den Bundestag 2017 überhaupt möglich geworden. Warum das so ist? Hier kommt eine Antwort.
Die Geschichte beginnt im November 2014. In diesen Wochen erreicht die Partei ihren düstersten Moment. In den Umfragen ist sie auf einen so niedrigen Wert gefallen, dass die Institute ihn kaum mehr messen können und deshalb auch nicht mehr ausweisen. Die FDP ist in die Gruppe der Sonstigen abgesunken.
Es ist der Moment, in dem sich FDP-Chef Christian Lindner an die Berliner Agentur Heimat wendet. Das ist eine Werbeagentur, die sonst Popstars promotet, aber bei diesem Angebot greift sie zu. Schließlich ist für Werbeexperten kaum etwa schöner als von ganz unten damit zu beginnen, jemanden aufzubauen. Und dieser Kunde liegt am Boden, knapp drei Jahre vor dem nächsten Wahltag.
Etwas Besseres kann einem Werber nicht passieren
Wenn man heute mit Leuten aus der Agentur spricht, kommen sie ins Schwärmen. Etwas Besseres könne einem Werber nicht passieren, heißt es. "In so einem Moment bekommst du Gestaltungsspielräume, die du sonst nie bekommen würdest."
Dabei hatte der weitgehend allein herrschende Lindner bereits unmittelbar nach der Niederlage 2013 und noch ganz ohne Agentur begonnen, allen in der Partei die ganz große Sinnfrage zu stellen. In ihrem Frust sollten sie erklären, was FDP für sie bedeutet, was Liberalismus eigentlich heißen soll und wie sie sich eine moderne FDP wünschen. Lindner nannte das den Leitbildprozess, und weil sich die Medien für all das kaum interessierten, konnte die FDP-Spitze die Debatte fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit moderieren.
Nur so wurde aus einer internen Debatte kein öffentlicher Streit; so entstand aus dem Frust einer gedemütigten Partei neue Lust darauf, den Liberalen anzugehören. Als die Berliner Agentur Ende 2014 dazu kam, hatte die FDP eines also schon entwickelt: das neu verankerte Gefühl, dass man weitermachen möchte, und eine Vorstellung davon, wer man dabei sein will.
Neu ist, dass man nicht mehr als Besserwisser auftreten will; neu ist, dass man den eigenen Liberalismus sehr weltoffen und fröhlich vorleben will. Und neu ist, dass man unbedingt Schluss machen will mit alten Klientel-Botschaften wie: Wir müssen für den Mittelstand Bürokratie abbauen. Das neue Motto soll heute vielmehr heißen: Liberalismus - das geht alle an.
Hinzu kommt, dass nicht die Ziele, aber die Begründungen verschoben werden. Die Agentur hatte gefragt, an wen sich die Partei eigentlich richten wolle - und anschließend die Sprache entsprechend neu ausgerichtet. Das bedeutete: Die FDP definierte nicht ihre Inhalte neu, wohl aber deren Begründung.
Beispiel Bürokratieabbau: Er wird nicht mehr mit dem Wunsch des Mittelstandes, sondern mit der täglichen Not eines einfachen Beamten begründet. Beispiel Senkung der Lohnnebenkosten: Hier wird als Grund nicht mehr die Forderung der Unternehmen, sondern der große Nutzen für eine Krankenschwester angegeben.