FDP nach den Landtagswahlen:Doppelt gescheitert

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Innerhalb der FDP ist Lindners Machtstellung aus naheliegenden Gründen unangefochten. (Foto: Getty Images)

Erst 2013 war die FDP in der Wählergunst abgestürzt. Dass die Liberalen nun bei den Landtagswahlen im Osten erneut einen Tiefschlag erhalten haben, liegt auch an Partei-Chef Lindner.

Kommentar von Daniel Brössler

Nach ihrer Rückkehr aus der außerparlamentarischen Verbannung hatten sich die Freien Demokraten fest vorgenommen, jene Fehler zu vermeiden, die sie als ursächlich für den Absturz 2013 identifiziert hatten. Nie wieder sollten inhaltliche Beliebigkeit und innerer Streit die Partei in ihrer Existenz gefährden. Der Glaube, dass das Heil in Prinzipienfestigkeit und Geschlossenheit liegt, hat sich zu einer Art reinen Lehre verdichtet, über deren Einhaltung Parteichef Christian Lindner wacht. Wie schon nach dem bescheidenen Abschneiden in Bayern und bei der Europawahl stellt er nun auch nach dem doppelten Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde in Sachsen und Brandenburg in Abrede, dass es ein grundsätzliches Problem geben könnte.

Die FDP kann das natürlich tun: Sie kann alles auf das traditionell schwierige Umfeld im Osten und die Zuspitzung auf die AfD schieben. Sie kann auf Umfragen verweisen, die sie im Bund zwar unter ihrem 10,7-Prozent-Resultat von 2017, aber doch beständig um die neun Prozent taxieren. Sie kann das alles tun, offenbart damit aber genau jene politische Genügsamkeit, mit der sie sich schon vor längerer Zeit an den Rand der öffentlichen Debatten manövriert hat. Für eine kleine Partei ist das ein gefährlicher Ort. Im Jahr 2013 haben sich die Wähler von der FDP abgewandt, weil sie als Regierungspartei deren Erwartungen enttäuscht hatte. In der selbst gewählten Opposition hat sie nun ein anderes Problem: Sie muss aufpassen, überhaupt noch Erwartungen zu wecken.

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Lindner lehnte nach den Landtagswahlen einen Kurswechsel ab

Ungewollt hat Lindner diese Gefahr auf den Punkt gebracht, als er nach den Landtagswahlen einen Kurswechsel ablehnte und dies damit begründete, die Zukunft der FDP könne weder in einer Angleichung an die AfD noch an die Grünen liegen. Das würde der FDP auch niemand bei Sinnen empfehlen, weshalb Äußerungen wie diese nicht mehr als ein präziser Schlag ins Leere sind. Sie verraten nichts darüber, wie die FDP sich wieder wirksam in die Debatten im Land einschalten könnte. Und sie lassen auch keine große Lust darauf erkennen.

Das Problem besteht nicht in erster Linie in einem Mangel an Ressourcen. Es gibt auch bei den Liberalen Köpfe, die sich abseits von FDP-Klassikern wie Steuersenkungen Gedanken über den Klimawandel, über Einwanderung, Digitalisierung, Bürgerrechte oder Außenpolitik machen. Das genügt aber nicht. In Zeiten eines global, aber auch in Deutschland grassierenden Antiliberalismus müsste es neben den strukturell linken Grünen noch einigen Platz geben für eine Partei, die selbstbewusst für Offenheit, Toleranz und Eigenverantwortung eintritt. Nicht zuletzt Lindners Habitus der Unbedingtheit und des Besserwissens aber macht es schwer, diesen Anspruch glaubwürdig zu vertreten.

Innerhalb der FDP ist Lindners Machtstellung aus naheliegenden Gründen unangefochten. Er hat die Partei aus Trümmern wieder aufgebaut und sie geradezu triumphal in den Bundestag zurückgeführt. Es gibt niemanden in der Partei, der ihn herausfordern oder ersetzen könnte. Das und die geradezu panische Angst vor einem Wiederaufleben der einst zerstörerischen Zwistigkeiten sorgt nach einer Kette von Niederlagen für eine geradezu beklemmende Ruhe in der Partei. Gegen das Lernen aus alten Fehlern ist nichts zu sagen. Es bewahrt allerdings nicht vor neuen.

© SZ vom 04.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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