Fall Edathy:Bosbach erklärt "politischen Teil" der Krise "weitgehend" für beendet

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Union und SPD rücken wieder näher zusammen: Nach den Befragungen zeigt sich Innenausschuss-Chef Bosbach zufrieden mit den Aussagen der SPD-Politiker Oppermann und Gabriel. Diese äußern ihr Bedauern über den Rücktritt von CSU-Minister Friedrich.

Die aktuellen Entwicklungen im Newsblog. Von Thorsten Denkler, Berlin

In Berlin geht ein aufregender Tag um die Affäre des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy zu Ende. Nach einer Aktuellen Stunde im Bundestag und langen Befragungen im Innenausschuss scheinen SPD und Union wieder etwas näher zusammengerückt zu sein. Die Sozialdemokraten Gabriel und Oppermann richten bedauernde Worte in Richtung des zurückgetretenen Ministers Hans-Peter Friedrich (CSU).

  • Gabriel und Bosbach äußern sich: SPD-Chef Gabriel sagte nach seinem Auftritt im Innenausschuss, die Situation sei für die Koalition "belastend und anstrengend". Hans-Peter Friedrich habe "nichts Unanständiges" gemacht, und sei dennoch in eine "schwierige Lage" geraten. Der Vorsitzende des Innenausschuss, Wolfgang Bosbach (CDU) erklärte nach dem Auftritt Gabriels den "politischen Teil" der Krise "weitgehend" für beendet. Gabriel habe versichert, dass er in seinen Augen verpflichtet gewesen sei, die Informationen, die er von Friedrich bekommen habe, mit dem Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und dem parlamentarischen Geschäftsführer Thomas Oppermann zu teilen. Das sei aus seiner Sicht kein Bruch der Vertraulichkeit gewesen. Bosbach nannte die Argumentation "plausibel". Der Tag habe die Rufe nach einem möglichen Untersuchungsausschuss "nicht lauter werden lassen".
  • Oppermann verteidigt Telefonat mit Ziercke: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat jeden Versuch zurückgewiesen, sein Telefonat mit BKA-Präsident Jörg Ziercke als "Fehler" zu bezeichnen. Mehrfach erklärte Oppermann nach seiner Befragung im Innenausschuss des Bundestages, er sei wegen der Information, dass der Name des SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Kinderpornographie auftauche, "fassungslos und schockiert" gewesen. Er habe sich nicht vorstellen können, das ein derart verdientes Mitglied der Fraktion, in derartige Dinge verstrickt sein könne und habe sich auf die Informationen "keinen Reim machen" können. Es sei ihm ein Bedürfnis gewesen, die Dinge einordnen zu können. Noch am selben Tag, an dem ihn SPD-Chef Sigmar Gabriel über die Hinweise, die er von Innenminister Hans-Peter Friedrich bekommen hatte, unterrichtete, habe er deshalb BKA-Präsident Ziercke angerufen. Es sei nicht seine Absicht gewesen, geheime Informationen zu bekommen. Seine "leise Hoffnung" sei womöglich gewesen, dass Ziercke die Informationen dementieren könnte. "Wenn das ein Irrtum wäre, hätte mir das Ziercke gesagt." Oppermann sagte auch: "Ich konnte mich mit niemand anderem besprechen." Oppermann räumte aber ein, dass seine anfängliche Formulierung, Ziercke habe ihm "bestätigt", dass es einen Verdacht gegen Edathy gebe, missverständlich gewesen sein könne. Laut Redemanuskript sagte er, dass es eine aktive Bestätigung der Informationen durch Ziercke nicht gegeben habe.
  • Bedauern über Friedrichs Rücktritt: Oppermann stellte erneut fest, dass die Presseerklärung, in der er Friedrichs Rolle in der Informationskette veröffentlichte, mit Friedrich abgesprochen gewesen sei. Den Textteil, der Friedrich betraf, habe er persönlich mit Friedrich besprochen. Die fertige Pressemitteilung sei von einem Mitarbeiter Friedrichs freigegeben worden. "Ich wollte offenbaren, nichts verheimlichen", sagt Oppermann. Ihm tue "aufrichtig leid", dass der "hochgeschätzte" Hans-Peter Friedrich wegen dieser Pressemeldung zurücktreten musste.
  • Gemischte Reaktionen auf Oppermanns Auftritt: Für die Grünen bewertete Konstantin von Notz den Auftritt Oppermanns: Offenbar seien in dem Gespräch zwischen Oppermann und Ziercke "keine Informationen geflossen. Und doch ist eine Information geflossen". Das sei "ein Zaubertrick". Jan Korte von der Linken zeigte sich irritiert, dass Oppermann versucht habe, von BKA-Chef Ziercke Informationen zu bekommen, nicht aber von Friedrich selbst. Das Vertrauen schien schon da "nicht besonders eng gewesen zu sein". Beide Oppositionspolitiker haben mit den Koalitionspolitikern von der Union, Stephan Meyer (CSU) und Wolfgang Bosbach (CDU) gemein, dass sie sich von Oppermann die Feststellung gewünscht hätten, dass der Anruf ein Fehler gewesen sei. "Der kleine Satz, es war ein Fehler, es tut mit leid, kommt Politikern eben nicht so leicht über die Lippen", sagte Bosbach. Für ihn sei der Anruf "sicherlich ein Fehler". Er zeigte sich mit dem Auftritt Oppermanns jedoch insoweit zufrieden, als dass sich seine Aussagen mit denen Zierckes gedeckt hätten. Meyer stellte fest, er habe ein ernsthaftes Bedauern bei Oppermann gespürt, dass Friedrich zurücktreten musste.
  • Ziercke erkennt keine Fehler: Der Chef des Bundeskriminalamtes hatte zuvor alle Vorwürfe um das Telefonat mit Oppermann zurückgewiesen. Nach seiner Aussage im Innenausschuss teilte Ziercke der Presse mit, er könne in dem Gespräch kein strafrechtlich relevantes Verhalten entdecken - weder durch ihn noch durch den heutigen Fraktionsvorsitzenden der SPD. Laut Ziercke hat ihn Oppermann am 17. Oktober gegen 15:30 Uhr angerufen. Nach den üblichen Begrüßungsformeln habe Oppermann ihm seinen Wissensstand über den Fall Edathy mitgeteilt: Dass etwa der Name des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten im Zusammenhang mit Ermittlungen im Bereich von Kinderpornografie aufgetaucht sei, es aber keine Hinweise auf strafrechtlich relevantes Verhalten gebe.
  • BKA-Chef "war überrascht vom Anruf": Er, Ziercke, habe Oppermann zugehört, ohne dessen Angaben zu kommentieren oder ausdrücklich zu dementieren. Oppermann habe ihn nicht gedrängt, etwas preiszugeben. Sinngemäß habe der SPD-Politiker ihm gesagt, er wolle Ziercke nicht in Schwierigkeiten bringen. Allerdings bemerkte der BKA-Chef: "Die Grenzen freundlicher Kommunikation waren nahe." Oppermann habe wohl bemerkt, dass ihn während des Telefonates ein zunehmend ungutes Gefühl beschlichen habe, so Ziercke. Er sei zudem "überrascht" über den Anruf von Oppermann gewesen. Zuletzt hätte er vor der Bundestagswahl 2009 persönlichen Kontakt zu Oppermann gehabt. Das sei ihm wichtig, weil in den Medien der Eindruck erweckt worden sei, es gebe ein sich etwa aus der gleichen Parteizugehörigkeit ergebendes Nahverhältnis von Oppermann zum BKA-Chef.
  • Bundestag erlaubt Staatsanwaltschaft Durchsuchung von Edathys Computern: Norbert Lammert hat der Staatsanwaltschaft Hannover unter Auflagen die Durchsuchung von Computern des ehemaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy erlaubt. Der Bundestag teilte mit, die Staatsanwaltschaft könne "Computer und Speichermedien sowie andere Gegenstände" Edathys sicherstellen und durchsuchen. Der Bundestagspräsident folge damit einer einstimmigen Empfehlung des Immunitäts-Ausschusses. Allerdings sei die Erlaubnis mit Auflagen verbunden. So werde die Durchsuchung der Büroräume Edathys untersagt, "die nunmehr von einer anderen Abgeordneten genutzt werden". Die Beschlagnahmungen, insbesondere von Computern, dürften "nur in Anwesenheit eines Vertreters oder einer Vertreterin des Präsidenten des Bundestages erfolgen". Zudem seien die Daten auf den beschlagnahmten Computern zunächst allein auf kinderpornografieverdächtige Bild- und Videodateien zu sichten.

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© Süddeutsche.de/mati/dpa/Reuters/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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