Extremismus - Wiesbaden:Verfassungsschütz: Warnung vor Gewalt bei Extremisten

Wiesbaden (dpa/lhe) - Hessens Sicherheitsexperten warnen vor einer steigenden Gefährdung durch gewaltbereite Extremisten. Vor allem in der rechten Szene gebe es eine hohe Gewaltorientierung und Waffenaffinität, sagte Innenminister Peter Beuth (CDU) bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2018 am Mittwoch in Wiesbaden. Auch die zunehmende Hetze im Internet bereite den Sicherheitsbehörden Sorge, da sich gewaltbereite Extremisten davon zu Taten angestachelt fühlten. "Aus Hetze und Hass in Worten kann leicht mehr entstehen", mahnte Beuth. "Das ist der Resonanzboden für die, die mehr wollen."

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Wiesbaden (dpa/lhe) - Hessens Sicherheitsexperten warnen vor einer steigenden Gefährdung durch gewaltbereite Extremisten. Vor allem in der rechten Szene gebe es eine hohe Gewaltorientierung und Waffenaffinität, sagte Innenminister Peter Beuth (CDU) bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2018 am Mittwoch in Wiesbaden. Auch die zunehmende Hetze im Internet bereite den Sicherheitsbehörden Sorge, da sich gewaltbereite Extremisten davon zu Taten angestachelt fühlten. "Aus Hetze und Hass in Worten kann leicht mehr entstehen", mahnte Beuth. "Das ist der Resonanzboden für die, die mehr wollen."

Verfassungsschutzpräsident Robert Schäfer warnte aber nicht nur vor einer zunehmenden Gewaltbereitschaft der rechten Szene. Es gebe auch zunehmend Gruppierungen wie die "Identitäre Bewegung", die mit vermeintlich gemäßigterem Auftreten versuchten, gerade auch Akademiker anzusprechen und damit die Grenzen zum Extremismus zu lockern.

Vermehrt werde auch versucht, über legal angemeldete Kampfsportveranstaltungen Menschen aus dem nicht-extremistischen Teil der Gesellschaft anzusprechen, berichtete Schäfer. Die Hemmschwelle, an diesen Veranstaltungen teilzunehmen, sei angesichts deutlich steigender Besucherzahlen offenbar gesunken. Rechtsextremistische Konzerte seien auch immer noch ein Ort für Rekrutierungen der Szene.

Trotz mehrerer Gewalttaten und Vorfälle in jüngster Zeit wie dem Mord an dem Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und den Schüssen auf einen Eritreer im osthessischen Wächtersbach hat Hessen nach Einschätzung des Verfassungsschutzpräsidenten kein besonderes Problem mit Rechtsextremisten. Im Bundesvergleich liege das Land bei den Gewalttaten unter dem Durchschnitt. Das sei aber kein Grund, sich zurückzulehnen. Im Gegenteil habe das Landesamt sowohl personell als auch strukturell in diesem Bereich zugelegt. Über 360 Stellen zählt der Verfassungsschutz in Hessen mit den Schwerpunkten Rechtsextremismus und Islamismus.

Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten stieg von 16 auf 25 im Jahresvergleich. Überwiegend handelte es sich bei den Straftaten um Körperverletzungen, wie aus dem 308-seitigen Verfassungsschutzbericht hervorgeht. 1475 Männer und Frauen werden der rechtsextremistischen Szene im Land zugerechnet, ein Plus von 10 Menschen im Vergleich zu 2017. Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund blieb mit 539 nahezu gleich (2017: 540).

Das Gefahrenpotenzial durch den Rechtsextremismus und den Islamismus sei gleichgroß, urteilte Schäfer. Auch wenn es derzeit keine Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen durch Islamisten in Deutschland gebe, herrsche weiterhin eine hohe terroristische Gefährdungslage. Es werde damit gerechnet, dass künftig weitere Islamistinnen mit ihren Kindern aus den Kampfgebieten in Syrien und im Irak nach Hessen zurückkehren werden. Insgesamt waren nach seinen Angaben rund 150 Männer und Frauen ausgereist, um auf der Seite der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und anderer terroristischer Gruppierungen zu kämpfen oder deren Kampf zu unterstützen.

Ähnlich wie in der rechten Szene sei neben den gewaltaffinen Salafisten auch eine Gruppierung mit dem Namen "Realität Islam" vor allem in sozialen Netzwerken aktiv und versuche so, junge Menschen mit vermeintlich gemäßigteren Botschaften zu radikalisieren, sagte der Präsident. Neben der Verhinderung von Straftaten müsse daher weiter ein besonderes Augenmerk auf die Prävention gelegt werden, "damit gerade die unter 25-Jährigen nicht auf das reinfallen." Die Zahl der Islamisten liegt in Hessen 2018 wie im Vorjahr bei 4170, davon werden 1650 Personen als gewaltaffine Salafisten eingestuft.

Der Innenminister forderte im Kampf gegen gewaltbereite Extremisten erneut eine Gesetzesänderung, um ihnen den Zugang zu Waffen grundsätzlich zu verwehren. "Waffen haben in den Händen von Extremisten nichts zu suchen." Damit der Verfassungsschutz die Waffenbehörden beim Entzug von Gewehren und Pistolen noch effektiver unterstützen kann, müssten endlich die gesetzlichen Regeln geändert werden. Bislang habe es zwar auf Bundesebene noch keine Mehrheit für die hessische Initiative gegeben. Bei der Bundesratssitzung an diesem Freitag werde er aber "um eine Mehrheit für die dringend notwendige Verschärfung des Waffengesetzes werben".

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Günter Rudolph, sagte, eine Verschärfung des Waffenrechts könne nur ein Baustein bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus sein. Im Mordfall Lübcke stelle sich zudem die Frage, ob eine Waffenrechtsverschärfung eine Konsequenz gehabt hätte. Denn gerade bei Markus H., der wegen des Verdachts der Beihilfe in Untersuchungshaft sitzt, hätte der Verfassungsschutz auch ein Behördenzeugnis ausstellen können, um die Waffenerlaubnis gerichtlich zu verweigern. Dies sei nicht geschehen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Fraktion, Hermann Schaus, begrüßte den neuen Anlauf zur Verschärfung des Waffenrechts. "Klare Kante" gegen die AfD sei aber ebenso notwendig, wie eine intensivere Beobachtung der neonazistischen Kampfsport- und Hardcoreszene. Die Gefahr durch rechte Gewalt und Terror sei jahrzehntelang von den Sicherheitsbehörden verharmlost worden. "Nun müssen Taten folgen."

Der FDP-Innenexperte Stefan Müller forderte, eine wehrhafte Demokratie müsse dafür sorgen, dass sich keine Waffen in den Händen von Extremisten befinden. "Wir brauchen eine verbesserte Abstimmung der Behörden untereinander und ein konsequentes Durchgreifen bei solchen Personen, die als extremistisch eingestuft werden oder wie beispielsweise die Reichsbürger als unzuverlässig gelten."

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