Extremismus - Erfurt:Verfassungsschutz: AfD rassistisch und verfassungsfeindlich

Extremismus - Erfurt: Auf einem AfD-Parteitag hängt ein Plakat mit dem Schriftzug "Alternative für Deutschland". Foto: Stefan Sauer/dpa/Archivbild
Auf einem AfD-Parteitag hängt ein Plakat mit dem Schriftzug "Alternative für Deutschland". Foto: Stefan Sauer/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Erfurt (dpa/th) - Nach Ansicht des Thüringer Verfassungsschutzes beherrschen Positionen gegen die Menschenwürde und das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip die politische Ideologie des AfD-Landesverbands im Freistaat. Das geht aus dem neuen Thüringer Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2021 hervor, der am Freitag veröffentlicht wurde. Darin wird der Landesverband der AfD unter dem Abschnitt "Rechtsextremistische Parteien" gelistet. "Es ist einfach die größte und am stärksten gewachsene rechtsextreme Bestrebung", sagte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) der dpa.

Der Landesverfassungsschutz hatte die Thüringer AfD mit ihrem umstrittenen Landespartei- und Fraktionschef Björn Höcke im März 2021 als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Nun hat er dies ausführlich auf fast 14 Seiten im neuen Verfassungsschutzbericht anhand ausgewählter Beispiele begründet. Berichtszeitraum ist das Jahr 2021.

Demnach speise sich etwa die Islamfeindschaft des Landessprechers Björn Höcke und anderer AfD-Vertreter "nicht prinzipiell aus kultur- oder religionskritischen, sondern aus rassistischen Positionen". Rassismus sei prinzipiell grundgesetzwidrig, auch wenn er im "rhetorischen Kleid (unveränderlicher) kultureller Unterschiede" daher komme. Als ein Beispiel wird Höckes Reaktion auf einen Anschlag in Würzburg im Sommer 2021 genannt, der Täter wurde inzwischen als psychisch krank und schuldunfähig beurteilt. Höcke habe damals in sozialen Netzwerken geschrieben: "Es interessiert mich nicht, warum der Täter nach Deutschland kam - ob er tatsächlich auf der Flucht war oder hier nur ein besseres Leben suchte. Die Art, wie er die Aufnahme dankte, zeigt: Er gehörte von Anfang an nicht hier hin."

Der Thüringer AfD-Chef sehe zudem eine Masseneinwanderung "in einem größeren verschwörungs-theoretischen Zusammenhang". So habe er im Juli 2021 einen Beitrag in Reaktion auf den Amoklauf in Würzburg gepostet: "Wir werden aufeinandergehetzt, damit unsere gemeinsamen Gegner leichtes Spiel haben: Die Feinde der Völker und Kulturen."

Innenminister Maier sagte, Höcke gehöre zu den extremsten, aber auch einflussreichsten Vertretern der AfD. Vor allem nach dem Austritt des früheren AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen spiele Höcke im Hintergrund eine immer größere Rolle. Maier hatte vor kurzem angeregt, ein Verbotsverfahren gegen die AfD vorzubereiten.

Auch der Präsident des Landesverfassungsschutzes, Stephan Kramer, hält ein Verbotsverfahren für möglich. Das Ziel der Beobachtung sei das Zusammentragen von Informationen und Material, damit so eine Vereinigung nicht länger ihr Unwesen treibe. Dieses Material könne den entsprechenden Antragsstellern dann zur Verfügung gestellt werden. "Wir schreiben nicht für die Galerie. Der nächste Schritt in einer wehrhaften Demokratie, wenn es sich wirklich auch um eine Gefahr für die Demokratie handelt, ist am Ende dann auch als Ultima Ratio ein Verbotsverfahren." Seiner Einschätzung nach geht die AfD immer unverhohlener mit ihren extremistischen Positionen um und kaschiere diese nicht mehr.

Unter der Zwischenüberschrift "Verstöße gegen das Demokratieprinzip" führt der Landesverfassungsschutz unter anderem einen Post von Höcke zur Bundestagswahl an. Bereits Monate vor der Wahl hatte Höcke geschrieben, Briefwahlen seien "bekanntlich besonders anfällig für Manipulationen". "Mit Bezug zu den eingeführten Kontaktbeschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemie imaginierte Höcke weiter reichende Grundrechtseingriffe, die bald auch willkürlich erfolgen würden", heißt es in dem Bericht. Er habe damit suggeriert, die Regierung würde diese Situationen künftig absichtsvoll herbeiführen und habe pauschal undemokratische Absichten unterstellt.

Verfassungsschutzchef Kramer wies darauf hin, dass es Verbindungen zwischen "Reichsbürgern" und der AfD gebe. "Bei Demonstrationen, bei Montagsspaziergängen, bei "Querdenker"-Veranstaltungen sind "Reichsbürger"- und AfD-Vertreter immer öfter und regelmäßig zusammen aufgetreten", sagte Kramer.

Nach dem Bericht habe die AfD während der Corona-Pandemie in Thüringen eine prägende Rolle bei unangemeldeten Protesten gegen die Corona-Regeln ausgeübt. Zitiert wird erneut Höcke, der im Dezember 2021 behauptet habe: "Deutschland ist kein Rechtsstaat mehr! Aufgrund dieser Einsicht gehen in vielen deutschen Städten Menschen auf die Straße."

Der Thüringer AfD-Innenpolitiker Ringo Mühlmann wies die Vorhaltungen des Berichts in Bezug auf seine Partei zurück. "Die aufgereihten Verdrehungen und Verunglimpfungen selbst sachlicher Kritik an politischen Fehlentwicklungen zeigen eine derart deutliche Tendenz, dass sie selbst als Propaganda gegen die Opposition nur bedingt taugen", erklärte Mühlmann.

Kritik gab es an dem späten Veröffentlichungstermin des Verfassungsschutzberichtes. "Die Erkenntnisse liegen der Öffentlichkeit so im schlechtesten Fall fast zwei Jahre nach dem eigentlichen Ereignis vor. Die Aussagen des Innenministers, dass es sich bei dem Bericht um ein wirkungsvolles Frühwarninstrument handelt, verkommen zur Farce", sagte der Thüringer CDU-Innenpolitiker Raymond Walk. Kramer sagte, er habe die Ressourcen lieber in das operationelle "gefährliche Alltagsgeschäft" gesteckt. "Ich hätte den Bericht auch lieber im Sommer gehabt, aber ich muss mit der Besatzung arbeiten, die ich habe und da muss ich die Kräfte einteilen."

© dpa-infocom, dpa:221216-99-925768/3

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