Ballstädt:Schuldsprüche im Ballstädt-Prozess von BGH gekippt

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Eine Statue der Justitia wird von der Sonne angestrahlt. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa/Symbolbild)

Drei Jahre nach dem Ende des Prozesses wegen des mutmaßlich rechtsextremen Überfalls auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt (Landkreis Gotha) hat der...

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Erfurt/Karlsruhe (dpa/th) - Drei Jahre nach dem Ende des Prozesses wegen des mutmaßlich rechtsextremen Überfalls auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt (Landkreis Gotha) hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe das Urteil des Landgerichts Erfurt gekippt. Die Revision der in dem Verfahren Verurteilten habe Erfolg gehabt, heißt es in einem Beschluss des Bundesgerichtshofes, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt (Az: 2 StR 352/18). Das Urteil aus dem Jahr 2017 werde daher aufgehoben. Eine andere Strafkammer des Landgerichts muss den Fall nun neu verhandeln.

Vertreter der Nebenklage teilten am Samstag mit, die Entscheidung des BGH sei am 15. Januar gefallen. In der Begründung seines Beschlusses macht der BGH vor allem formale Gründe für seine Entscheidung geltend. Das Landgericht Erfurt hatte im Mai 2017 zehn Männer und eine Frau für schuldig befunden, an dem Überfall im Februar 2014 beteiligt gewesen zu sein. Sie waren zu teilweise mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Vier weitere Angeklagte hatte das Gericht freigesprochen. Bei dem Überfall waren zehn Menschen schwer verletzt worden. In dem Prozess war an insgesamt 45 Tagen seit Dezember 2015 verhandelt worden. Polizei und Staatsanwaltschaft sowie die Vertreter der Nebenklage rechnen die damals Angeklagten der rechtsextremen Szene zu. Selbst vor Gericht hatten die meisten der Angeklagten aus ihren politischen Überzeugungen keinen Hehl gemacht und trugen zum Beispiel szenetypische Kleidung. Zur Urteilsverkündung war ein Angeklagter mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „Nationalist Fight Club“ erschienen.

In der Begründung des Bundesgerichtshofs zur Aufhebung des Urteils des Landgerichts heißt es, zwar habe auch dieses Gericht keinen Zweifel daran, dass sich der Überfall auf die Kirmesgesellschaft so ereignet habe, wie das Landgericht es festgestellt habe. Allerdings sei die Beweiswürdigung des Landgerichts „durchgreifend rechtsfehlerhaft“. Daher sei nicht zweifelsfrei erwiesen, dass die Verurteilten an dem Angriff beteiligt gewesen seien. Unter anderem habe sich das Landgericht in seiner Urteilsbegründung nicht ausreichend mit einem DNA-Gutachten auseinandergesetzt, auf das es seine Entscheidung aber maßgeblich gestützt habe. Eine Anwältin von Opfern des Übergriffs, Kristin Pietrzyk, kritisierte nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs das Landgericht scharf. „Die schriftliche Urteilsabfassung leidet an Fehlern, die durch reine Sorgfalt vermeidbar gewesen wären“, erklärte sie. Der Nebenklage-Anwalt Maik Elster forderte in der Mitteilung das Landgericht Erfurt auf, „unter Aufbietung aller Ressourcen“ rasch Termine für die Neuverhandlung anzusetzen.

Die Nebenkläger werten die Tat als „klassische rechte Botschaftstat“. Dies habe das Landgericht in seinem ersten Urteil ignoriert. „Der neue Anlauf bietet daher auch die Chance, die Tat als das zu bewerten, was sie war: nämlich der Versuch von Nazis, eine regionale Hegemonie aufzubauen und auch mit Mitteln der Gewalt durchzusetzen“, erklärte Pietrzyk.

Auch die Opferberatung ezra kritisierte am Samstag, das Landgericht Erfurt habe es nicht geschafft, „nach einem kostenintensiven Großverfahren ein rechtlich sauberes Urteil zu formulieren.“ Nach über sechs Jahren könnten die Betroffenen noch immer nicht abschließen und müssten die Belastungen eines Gerichtsverfahrens erneut ertragen.

Der Prozess wegen des Überfalls war einer der größten der vergangenen Jahre gegen Angehörige der rechten Szene in Deutschland.

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