Evangelische Kirche:Kurschus fordert Waffenstillstandsgespräche

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"Verachtet Verhandlungen nicht", sagt Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche. (Foto: Caroline Seidel-Dißmannel/dpa)

"Verachtet Verhandlungen nicht", sagt die EKD-Ratsvorsitzende. Die Haltung der evangelischen Kirche zum Ukraine-Krieg wird auch ein Schwerpunkt beim obersten evangelischen Kirchenparlament sein.

Von Annette Zoch, München

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Annette Kurschus, ruft zu Waffenstillstandsgesprächen für die Ukraine auf. "Die Alternative zum gerechten Frieden darf doch nicht endloser Krieg sein. Niemals darf Krieg die Politik ersetzen", sagte Kurschus in ihrer Predigt am Reformationstag in der Schlosskirche Wittenberg. "Darum: Verachtet Verhandlungen nicht. Glaubt an die Kraft des geistesgegenwärtigen Wortes. Traut den kleinsten Schritten etwas zu."

Am Montag erinnerten Protestanten in aller Welt an den Beginn der Reformation im Jahr 1517, als der Augustinermönch Martin Luther in Wittenberg seine 95 Thesen veröffentlichte. In diesen übte er Kritik an der Kirche seiner Zeit, vor allem an dem Handel mit Ablassbriefen, und setzte damit eine Bewegung in Gang, die schließlich zur Gründung der evangelischen Kirche führte.

Kurschus sagte in Wittenberg, letztlich könne Frieden nur durch das Wort, nur durch Verhandlungen entstehen. Zwar seien Friedensverhandlungen derzeit in weiter Ferne. Umso nötiger seien aber Gespräche, die auf einen Waffenstillstand zielen, so Kurschus weiter: "Gott befreit uns davon, perfekte Gerechtigkeit schaffen zu wollen. Wir können's auch gar nicht. Er befreit uns aber dazu mit dem Suchen anzufangen im Wissen, dass nur Gott selbst sie vollenden kann. Und der erste Schritt ist: Die Waffen müssen schweigen", sagte die Ratsvorsitzende.

Die Protestanten, der Friedensbewegung traditionell eng verbunden, hatten seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine besonders stark mit ihrer Haltung zu dem Konflikt gerungen. Während sich die deutschen katholischen Bischöfe schon im März eindeutig für Waffenlieferungen an die Ukraine aussprachen, gab es in der evangelischen Kirche mehr Diskussionen. Kritik hatte vor allem der Friedensbeauftragte der EKD und Landesbischof der evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, auf sich gezogen, der sich klar gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine positioniert hatte. Gerade Deutschland, das historisch so viel Unheil angerichtet habe, dürfe keine Waffen liefern, so Kramer.

Bei dem Thema gibt es "Gesprächsbedarf"

Bei der EKD-Synode, die vom kommenden Sonntag bis Mittwoch in Magdeburg stattfindet, wird der Ukraine-Krieg ebenfalls Thema werden, Kramer wird dem obersten evangelischen Kirchenparlament dazu einen Bericht vorstellen. Die Präses der Synode, Anna-Nicole Heinrich, räumt ein, dass es bei der Haltung zum Ukraine-Krieg noch "Gesprächsbedarf" gebe: "Der Bericht des Friedensbeauftragten soll einen Weg zeichnen, wie wir in unseren Diskussionen vorankommen", sagt Heinrich. In der evangelischen Friedensethik gebe es ein "Transferproblem": Oft gelinge es nicht, die Inhalte der kirchlichen Texte und Papiere auf die aktuelle Situation zu beziehen.

Vor einer "friedensethischen Zeitenwende" sieht der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber die evangelische Kirche: "Vorrang haben gewaltfreie Mittel. Aber die Alternative zur Gewaltfreiheit ist nicht Nichtstun. Das Gebot ,Du sollst nicht töten' schließt mit ein, dass man nicht zuschauen soll, wenn getötet wird, ohne etwas dagegen zu tun", sagte Huber im Juli.

Kurschus, die auch Präses der evangelischen Kirche in Westfalen ist, hatte sich seit Beginn des Krieges immer wieder zu Wort gemeldet: "Auch in mir ist diese Zerrissenheit", schrieb sie im Juni in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Sie könne einen Krieg grundsätzlich nicht gutheißen, auch keinen Verteidigungskrieg, auch keine Waffenlieferungen. "Ich kann sie allenfalls als unvermeidlich anerkennen, als geringeres Übel für vertretbar halten. Es ist geboten, der Sünde in Form von brutaler Gewalt und verbrecherischem Unrecht entgegenzutreten." Es gebe in dieser Frage kein eindeutiges Richtig oder Falsch.

An diesem Montag predigte Kurschus über Psalm 46, der Vorlage für das von Martin Luther getextete Lied "Ein feste Burg ist unser Gott". Dieser Psalm aus dem Gesangbuch Israels, "von Kriegserlebnissen und Kriegserinnerungen durchtränkt", sei ein Gebet von Bedrängten für Bedrängte, die "Opfer eines zerstörerischen Angriffs einer feindlichen Großmacht" seien. Die Perspektive dieses Psalms sei das Schweigen der Waffen: "Gott macht den ewigen Kreisläufen der militärischen Aktionen ein Ende und schafft Ruhe", sagte Kurschus. "Ein für allemal - das ist die Hoffnung."

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