EU-Korruptionsskandal:Eva Kaili fühlt sich "politisch verfolgt"

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Eva Kaili ist nach vier Monaten im Untersuchungsgefängnis in den Hausarrest entlassen worden, hier in einer Aufnahme vom vergangenen Jahr. (Foto: Giannis Panagopoulos/imago)

Die frühere Vizepräsidentin des Europaparlaments kommt aus der Untersuchungshaft und bestreitet weiter jede Schuld. Langfristig will die Griechin zurück in die Politik.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Eva Kaili hat aus dem Gefängnis heraus verlauten lassen, sie wolle so schnell wie möglich in die Politik zurückkehren. Nun kann sie zumindest wieder in der Nähe des Europaparlaments leben - in der Wohnung, in der sie am 9. Dezember vorläufig festgenommen wurde. Mit einer elektronischen Fußfessel darf die ehemalige Vizepräsidentin des Europaparlaments die Frauenhaftanstalt im Brüsseler Stadtteil Haren verlassen. Warum von allen, die mutmaßlich in den Korruptionsskandal namens "Katargate" verwickelt sind, ausgerechnet sie, die Mutter eines zweijährigen Kindes, am längsten in U-Haft bleiben musste? Das haben die belgischen Ermittler der Öffentlichkeit bislang nicht erklärt.

Es liege an ihrer Prominenz, behauptet Eva Kaili selbst. Ende März erhielt sie im Gefängnis erstmals politischen Besuch. Es war niemand aus Kailis sozialdemokratischer Fraktion, von der sie sich verraten fühlt, wie sie sagt, auch niemand aus ihrer griechischen Heimat, was sie besonders enttäuscht, sondern Deborah Bergamini von Forza Italia, Europapolitikerin im nationalen italienischen Parlament. Eine Schilderung des Gesprächs fand sich danach in der Zeitung Corriere della Sera. Die belgische Justiz halte sie als "Trophäe" gefangen, klagte Kaili. Sie fühle sich "politisch verfolgt". Die Haftbedingungen seien anfangs unmenschlich gewesen; ohne Heizung, ohne warmes Wasser habe sie viele Tage in der Zelle verbracht. Mehrmals habe sie an Selbstmord gedacht. Dann aber, sagte Kaili, habe sie beschlossen zu kämpfen, bis zum politischen Comeback. Nach wie vor leugnet sie jegliche Schuld.

Das viele Geld, das man bei ihr fand, stamme von ihrem Partner, sagt die Europapolitikerin

Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Korruption, Geldwäsche - das sind die Vorwürfe. Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass die Griechin als Vizepräsidentin gegen Geld aus Katar Einfluss auf politische Entscheidungen des Europaparlaments nahm. Mit erstaunlichem Nachdruck verteidigte sie etwa vor der Fußball-WM 2022 das Emirat gegen Vorwürfe der Menschenrechtsverletzung. Bei der Razzia am 9. Dezember fand die Polizei 600 000 Euro in bar bei ihr. Aber dieses Geld habe nichts mit ihrer politischen Haltung zu tun, behauptet Eva Kaili. Sie fühle sich von ihrem Lebensgefährten Francesco Giorgi hereingelegt.

Auch der Belgier Marc Tarabella, der für die Sozialdemokraten im EU-Parlament saß, ist seit Donnerstag nicht mehr in U-Haft, sondern im Hausarrest. Er bestreitet die Korruptionsvorwürfe. (Foto: Johanna Geron/Reuters)

Giorgi, ein Mitarbeiter der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, hat als Handlanger für den ehemaligen sozialdemokratischen Abgeordneten Antonio Panzeri gearbeitet, der als Drahtzieher in dem Skandal gilt. Beide sind geständig und, ebenfalls mit elektronischer Fußfessel, längst aus dem Gefängnis entlassen worden. Panzeri hat sich den Ermittlern als Kronzeuge zur Verfügung gestellt und geschildert, wie er unter Europaabgeordneten das Schmiergeld verteilte, das er von Mittelsmännern aus Katar, Marokko und Mauretanien erhielt.

Der Kronzeuge gibt an, Kaili sei bestochen worden

120 000 bis 140 000 Euro hat demnach von ihm selbst der sozialdemokratische Abgeordnete Marc Tarabella aus Belgien erhalten. Tarabella wurde am Donnerstag freigelassen und leugnet weiterhin jegliche Beteiligung, genau wie der ebenfalls beschuldigte Andrea Cozzolino, auch er ein Sozialdemokrat. Die belgische Justiz hat die Auslieferung von Cozzolino und auch Panzeris Steuerberaterin Monica Bellini beantragt, die beiden wehren sich bislang mit Erfolg. Begründung: Die belgische Justiz wolle Verdächtigen unter unzumutbaren Haftbedingungen Geständnisse abpressen.

Das behauptet auch Eva Kailis Anwalt, Sven Mary. Die belgischen Ermittler hätten seiner Mandantin in stundenlangen Befragungen ein Geständnis abringen wollen, aber dieses Geständnis würden sie niemals erhalten, denn Kaili sei unschuldig, sagte der Anwalt in einem Interview. Aus den Ermittlungen sind alle möglichen Details publik geworden, aber was die Polizei über das Geld hinaus genau gegen Kaili in der Hand hat, ist bislang nicht bekannt. Panzeri sagte, sie gehöre zum Kreis der bestochenen Abgeordneten, aber er habe der Griechin das Geld nicht persönlich übergeben. Dazwischengeschaltet war Francesco Giorgi, Kailis Lebensgefährte. Die Ermittlungen gehen weiter.

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