Europaparlament:Der höfliche Herr Hill muss nachsitzen

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Jonathan Hill während seines Auftritts in Brüssel (Foto: REUTERS)

Der designierte britische EU-Finanzkommissar Jonathan Hill stellt sich den Parlamentariern und gibt sich europabegeistert. Doch viele sehen seine Vergangenheit als Bankenlobbyist kritisch - die Abgeordneten laden ihn erneut vor.

Von Javier Cáceres, Brüssel, und Björn Finke, London

Der Mann will schon mit seinen ersten Sätzen Sympathiepunkte sammeln. Die Sprache Shakespeares sei seine Muttersprache, sagt er, aber er wolle sich in der Sprache Molières - "oder einer Annäherung daran" - bedanken für die Ehre, hier sprechen zu dürfen. Es ist 13.35 Uhr, als Jonathan Hill, designierter EU-Finanzkommissar, seine Rede in Brüssel beginnt - auf Französisch.

Der Brite musste den Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments am Mittwoch davon überzeugen, dass er für den wichtigen Posten geeignet ist. Drei Stunden dauerte die Anhörung. Die Abgeordneten stellten eine kritische Frage nach der anderen: zu seinen Plänen für Europa und zu seiner Vergangenheit als Bankenlobbyist.

(Foto: Bloomberg)

Ein weiterer Wackelkandidat fiel mit sexistischen Äußerungen auf

Der Baron Hill of Oareford - so sein Titel - gilt als einer der gefährdeten Kommissarsanwärter. Er ist einer jener Kandidaten, denen die Parlamentarier nach der Anhörung die Qualifikation für den Spitzenjob absprechen könnten. Die Befragungen in den Ausschüssen sind noch bis Dienstag angesetzt; in drei Wochen muss dann das Parlament die Zusammensetzung der Kommission billigen. Sonst können Jean-Claude Juncker und seine 27 Kommissare nicht im November ihre Arbeit beginnen.

Neben Hill stellten sich am Abend weitere Wackelkandidaten den Parlamentariern: der Spanier Miguel Arias Cañete sowie der Ungar Tibor Navracsics. Cañete hatte im Europa-Wahlkampf sexistische Äußerungen fallen lassen, für die er sich nun entschuldigte. Er hatte gesagt, dass Männer den Frauen "intellektuell überlegen" seien. Außerdem musste er sich nach seiner Nominierung als Energie- und Klimaschutzkommissar überstürzt von seinem Aktienpaket an Ölfirmen trennen. Aber was ist da mit dem Schwager? Mehrmals wurde Cañete nach ihm gefragt; er betonte, dass seine "direkte Familie" keine Rolle in den Unternehmen habe, Interessenkonflikten seien ausgeschlossen. Für zusätzliche Verwunderung sorgte Cañete, weil er seine Erklärung über finanzielle Einnahmen auf den letzten Drücker korrigiert hatte - ob das rechtmäßig sei, wollte eine niederländische Sozialistin wissen. Dann wurde er zu angeblichen Verbindungen zu Briefkasten-Firmen in Steuerparadiesen wie den Niederländischen Antillen und Panama gefragt.

Hill gibt sich englisch höflich

Dem Ungarn Navracsics wiederum wird zu große Nähe zum umstrittenen Premier Viktor Orbán vorgeworfen. Als Justizminister schränkte er die Pressefreiheit ein. In der EU wäre er für Bürgerrechte, Bildung und Jugend zuständig. Und Hill? Der Brite gab sich bei seiner Anhörung englisch höflich und unenglisch europabegeistert. Er begann seine Antworten stets mit der Beteuerung, wie "schrecklich wichtig" diese oder jene Frage des Parlamentariers sei. In seiner Rede erklärte Lord Hill, er wünsche sich, dass seine Heimat Großbritannien weiter Mitglied der EU bleibe. Ein Wunsch, den er nicht mit allen maßgeblichen Politikern der britischen Konservativen teilt.

Als Kommissionschef Juncker Hill zum Finanzkommissar nominierte, stieß das auf Ablehnung: Großbritannien sieht Versuche aus Brüssel, Banken schärfer zu überwachen, kritisch, da es Nachteile für den Finanzplatz London befürchtet. Und jetzt soll ein Konservativer von der Insel für die Bankenaufsicht zuständig sein? Hill sagte dazu vor dem Ausschuss, er werde sich für eine "gut regulierte Finanzbranche" einsetzen, "die den Interessen der vielen und nicht nur einiger weniger dient".

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"Ein Elefant im Porzellanladen"

Die ersten zwei Fragen der Abgeordneten waren harmlos, die dritte war schon heikel. Die Abgeordnete Kay Swinburne sagte, im Parlament werde viel über Hills Lebenslauf getuschelt und über mögliche Interessenskonflikte des Briten. Er möge sich erklären. Hill hatte 1998 eine Politberatungs-Firma gegründet, die auch für Banken arbeitete. 2006 wurde die Gesellschaft übernommen, doch Hill behielt Anteile. Kritikern gilt er als Bankenlobbyist, der nun frühere Kunden kontrollieren soll. Hill antwortete, er habe alle Anteile verkauft. Er sehe keinerlei Interessenskonflikte.

Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber wollte wissen, ob Hill als Kommissar sämtliche Treffen mit Verbandsvertretern offenlegen werde. Hill sagte, er werde mit vielen verschiedenen Gruppen sprechen. Und er werde sich genau anschauen, wie sein Vorgänger über solche Treffen informiert habe, und sich daran orientieren. Hills Kritiker im Parlament überzeugten seine Einlassungen nicht. Nach der Sitzung sagte Sven Giegold, EU-Abgeordneter der Grünen, mit Hill würde man "einen Elefanten in den Porzellanladen" stellen. Der FDP-Parlamentarier Michael Theurer bemängelte, der Brite habe keine Substanz in Detailfragen bewiesen. Hill hat sich erklärt - am Abend entschieden die Abgeordneten, dass er nächste Woche erneut angehört werden soll.

© SZ vom 02.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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