EuGH-Urteil zum Personalausweis:Einmal Hand auflegen

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Ein Gerät scannt den Fingerabdruck einer Frau. In neuen Personalausweisen sind Fingerabdrücke verpflichtend. (Foto: Jens Büttner/DPA)

Der Europäische Gerichtshof hat es bestätigt: Die Fingerabdruckpflicht in Personalausweisen ist rechtens. Warum die Verordnung durch diese Entscheidung politisch noch angreifbarer wird.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wenn staatliche Behörden Fingerabdrücke nehmen, dann dachte man bisher zuerst an Verdacht und Verbrechen. Doch als die EU vor ein paar Jahren eine allgemeine Fingerabdruckpflicht für Personalausweise einführte, wurde dies als Dienst an der Sicherheit gerechtfertigt. Etwa 370 Millionen EU-Bürger sind von der Pflicht betroffen, die vor allem helfen soll, ihre Ausweise fälschungssicher zu machen. Nach einer Klage aus Deutschland hat an diesem Donnerstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) geurteilt, dass eine solche Pflicht im Prinzip gerechtfertigt ist, bisher allerdings auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt wurde. Der Europäische Rat hat bis Ende 2026 Zeit, um dies zu korrigieren.

Gegen die Speicherpflicht geklagt hatte Detlev Sieber, ehemaliger Geschäftsführer der Bürgerrechtsvereinigung Digitalcourage, die das Verfahren begleitet hat. "Diese zwangsweise und anlasslose Abgabe von biometrischen Daten entspricht nicht den Werten von Rechtsstaaten und Demokratien", hatte er im Vorfeld des Urteils kritisiert. Zwei Fingerabdrücke müssen laut Verordnung auf einem Chip des Ausweises gespeichert sein, in erster Linie, um einem Datendiebstahl vorzubeugen. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden äußerte rechtliche Zweifel und legte den Fall dem EuGH vor.

Der Nutzen des Abdrucks überwiegt

Der EuGH erkennt an, dass in der Speicherpflicht eine empfindliche Einschränkung der europäischen Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Datenschutz liegt. Solche Daten ermöglichten die genaue Identifizierung der Betroffenen und seien aufgrund erheblicher Risiken für die Grundrechte und die Grundfreiheiten "besonders sensibel".

Und doch gelangte der Gerichtshof am Ende zu dem Ergebnis, dass der Nutzen der digitalen Fingerabdrücke groß genug ist, um die Grundrechte zurücktreten zu lassen. Die Aufnahme biometrischer Daten könne die Herstellung gefälschter Personalausweise erschweren, vor allem wegen der präzisen technischen Anforderungen an die Speicherung. Zudem lasse sich mithilfe dieser Daten die Echtheit des Personalausweises und die Identität des Ausweisinhabers zuverlässig überprüfen und so das Betrugsrisiko verringern.

Die EU muss nacharbeiten - dieses Mal einstimmig

Zugleich aber legte der Gerichtshof großen Wert darauf, dass die Fingerabdrücke allein auf den Ausweisen selbst gespeichert werden dürfen. Die betreffende Verordnung erlaube also gerade nicht die Einrichtung nationaler oder EU-weiter Datenbanken mit biometrischen Daten.

Kurzum: Auf den ersten Blick sieht es so aus, als könne die EU den Lapsus mit der falschen Rechtsgrundlage leicht korrigieren, weil der EuGH inhaltlich keine tiefgreifenden Einwände hat. Allerdings ändert das Urteil die politische Ausgangslage grundlegend. Bisher ist die Verordnung auf die Vorschriften zur europäischen Freizügigkeit gestützt worden. Derartige Verordnungen können mit qualifizierter Mehrheit erlassen werden.

Richtigerweise falle sie laut EuGH nunmehr unter den Artikel 77 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Dort geht es um "Bestimmungen betreffend Pässe, Personalausweise" und so weiter. In dieser Vorschrift heißt es weiter: "Der Rat beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments." Damit wird das Projekt Fingerabdruckpflicht politisch sehr viel störungsanfälliger. Ein einziges Nein im Europäischen Rat kann den Plänen ein Ende bereiten. Anders ausgedrückt: Der Europäische Gerichtshof hat die Pflicht zur Aufnahme von Fingerabdrücken zwar juristisch erlaubt, aber politisch auf Anfang gestellt.

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