Europäische Union:Bessere Kontrolle für Abgeordnete und Kommissare

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EU-Parlament in Straßburg: Die Abgeordneten wollen gut 300 neue Mitarbeiter. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa)

Das EU-Parlament und die Kommission wollen eine gemeinsame Ethikbehörde aufbauen. Deren Zuschnitt ist umstritten, aber nun zeichnet sich eine Mehrheit für einen Kompromiss ab. Der hat allerdings seinen Preis.

Von Björn Finke, Brüssel

Das Europaparlament und die EU-Kommission sollen eine gemeinsame, unabhängige Ethikbehörde bekommen. Die Einrichtung würde dann kontrollieren, ob sich Abgeordnete an Verhaltensregeln halten, etwa zu Nebentätigkeiten oder Treffen mit Lobbyisten. Die Behörde würde auch zum Beispiel prüfen, ob neue Jobs früherer EU-Kommissare zu Interessenkonflikten führen. Im EU-Parlament ist allerdings umstritten, welche Rechte diese Einrichtung erhalten soll. Nun zeichnet sich im zuständigen Ausschuss für Verfassungsfragen eine Mehrheit für einen Kompromiss ab. An diesem Dienstag sollen die Mitglieder abstimmen.

"Ich denke, ich habe die nötigen Stimmen zusammen", sagt Daniel Freund. Der Grünen-Abgeordnete, der passenderweise bis zur jüngsten Europawahl für die Antikorruptionsorganisation Transparency International tätig war, ist Berichterstatter für das Thema. Dies bedeutet, dass er die Initiative betreut und mit den anderen Fraktionen einen mehrheitsfähigen Kompromiss aushandeln musste. "Was der Kompromiss vorsieht, ist eine deutliche Verbesserung zur jetzigen Lage, aber ich habe auch ein großes Zugeständnis machen müssen", sagt der 36-Jährige.

Freund schwebte vor, dass die neue Behörde selbst entscheiden und Strafen verhängen sollte. Das war mit den anderen Fraktionen nicht drin. Jetzt soll es bei der bisherigen Regelung bleiben, dass der Parlamentspräsident und die Kommissionspräsidentin in Ethikfragen entscheiden. Die Präsidenten holen dafür Empfehlungen ein - beim Parlament vom " Beratenden Ausschuss zum Verhalten von Mitgliedern" und bei der Kommission vom " Unabhängigen Ethikausschuss". Diese beiden Gremien sollen dem Kompromiss zufolge wegfallen und durch die neue Behörde ersetzt werden, die dann künftig die Empfehlungen abgibt.

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Freund sagt, der große Vorteil sei, dass die Ethiküberwachung dadurch wirklich unabhängig werde. So sitzen im Beratenden Ausschuss des Parlaments bislang Europaabgeordnete - in der neuen Ethikbehörde haben aktive Parlamentarier hingegen keinen Platz. Der Vorschlag sieht vor, dass es neun Ethikwächter geben wird; sie sollen sich zum Beispiel aus früheren Abgeordneten, Richtern, Bürgerbeauftragten oder Rechnungshof-Mitgliedern rekrutieren.

Die Christdemokraten sind dagegen

Die Behörde wird bei Hinweisen auf Fehlverhalten selbständig Untersuchungen einleiten. Ihre Empfehlungen bleiben zunächst geheim - veröffentlicht werden sie nur, wenn die Präsidenten von Parlament oder Kommission sie ignorieren.

Widerstand gegen eine starke Behörde gibt es vor allem bei der EVP, der Fraktion der europäischen Christdemokraten. Freund erwartet jedoch, ohne deren Stimmen eine Mehrheit für seinen Kompromiss zu finden. Nach der Verabschiedung im Ausschuss würde sich im September das Plenum des Parlaments damit befassen. Gibt es da wieder grünes Licht, können die Verhandlungen zwischen Parlament und Kommission über den Aufbau einer gemeinsamen Behörde beginnen. "Die Kommission wird da sicher auch eigene Ideen vorbringen, aber bislang habe ich keine Signale empfangen, dass die Kommission mit unserem Konzept Probleme hätte", sagt Freund. Geht alles glatt, könnte die Behörde schon 2022 mit der Arbeit beginnen.

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