EU:Lieferkettengesetz droht an Deutschland zu scheitern

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Mit einem EU-Lieferkettengesetz sollen Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn es in ihren Produktions- und Lieferketten Kinder- oder Zwangsarbeit gibt. (Foto: IMAGO/xmedialenskingx/IMAGO/Pond5 Images)

Zwei FDP-geführte Ministerium wollen die Pläne nicht mittragen. Damit steht eines der Leuchtturmprojekte der EU-Handelspolitik auf der Kippe.

Das geplante neue EU-Lieferkettengesetz droht an Deutschland zu scheitern. Das Bundesjustizministerium und das Bundesfinanzministerium könnten die Pläne nicht mittragen, erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus Regierungskreisen. "Im Rat der Europäischen Union hat dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge" heißt es in einem Schreiben von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner (beide FDP). Diese Enthaltung wirke "im Ergebnis wie eine 'Nein'-Stimme". Die FDP-Minister befürchten zu hohe Belastungen für Unternehmen.

Mit einem Lieferkettengesetz sollen etwa große Firmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn es in ihren Produktions- und Lieferketten Kinder- oder Zwangsarbeit gibt. Größere Unternehmen sollen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung vereinbar sind.

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Die EU-Institutionen hatten sich eigentlich im Dezember auf einen Kompromiss zum Lieferkettengesetz geeinigt. Noch gibt es aber lediglich einen politischen Deal. Ein genauer Rechtstext wird derzeit von Beamten ausgearbeitet - dieser könnte in den kommenden Wochen fertiggestellt werden. Danach muss dieser noch endgültig von den EU-Staaten und dem Europaparlament angenommen werden.

Ein Leuchtturmprojekt steht auf der Kippe

Ein EU-Diplomat sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass mit einer Enthaltung Deutschlands unklar sei, ob es unter den EU-Ländern jetzt noch eine ausreichende Mehrheit für das Vorhaben geben wird. Es gibt etwa Spekulationen, dass sich andere Länder an der Entscheidung Deutschlands orientieren und dem Vorhaben nun ebenfalls nicht zustimmen. Damit steht eines der Leuchtturmprojekte der EU-Handelspolitik auf der Kippe.

In Deutschland gibt es bereits ein Lieferkettengesetz, die EU-Variante geht aber über die Vorgaben des deutschen Gesetzes hinaus. Das deutsche Gesetz gilt für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Diese Grenze dürfte durch die EU-Version herabgesetzt werden. Außerdem ist vorgesehen, dass Unternehmen zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen und Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können. Das ist im deutschen Lieferkettengesetz bislang ausgeschlossen.

Buschmann und Lindner kritisierten, das EU-Gesetz werde dazu führen, dass Unternehmen für Pflichtverletzungen in der Lieferkette in erheblicher Weise zivilrechtlich haften. Außerdem wären deutlich mehr Unternehmen betroffen als nach aktueller deutscher Rechtslage. Auch der Bausektor solle als sogenannter Risikosektor eingestuft werden. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen in diesem bereits durch gestiegene Bauzinsen gebeutelten Bereich könne das existenzbedrohend sein. "Viele Betriebe verfügen unserem Eindruck nach schlichtweg nicht über die entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen", argumentieren die Minister. "Es ist zu befürchten, dass künftig noch weniger gebaut würde in Deutschland."

Mehrere Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft forderten jüngst in einem Brief an Kanzler Olaf Scholz (SPD), die Zustimmung zum neuen EU-Lieferkettengesetz zu verweigern. Sie warnten vor "Rechtsunsicherheit, Bürokratie und unkalkulierbaren Risiken".

Der in den EU-Verhandlungen zum Lieferkettengesetz federführende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will die Blockade der FDP mit Vorschlägen zum Bürokratieabbau verhindern. Der SPD-Politiker leitete am Donnerstag nach Angaben aus seinem Ministerium die Ressortabstimmung über seine Empfehlung ein, dem EU-Vorhaben zuzustimmen. Heil verband dies mit Eckpunkten zur Entlastung von Unternehmen, mit denen sich das Kabinett am 7. Februar befassen solle. Die Änderungen seien an die Zustimmung der Regierung zur EU-Richtlinie geknüpft. Konkret gehe es um Erleichterungen für Unternehmen bei den Berichtspflichten. Auch sollten entlastende Teile der Richtlinie vorzeitig angewendet werden.

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