EU:Griechenland-Abstimmung Test für Merkel und Kauder

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Merkel spricht mit Kauder: Thema ist die Abstimmung des Bundestags über die neuen Milliardenhilfen für Griechenland. (Foto: Kay Nietfeld)

Berlin (dpa) - Wenn Angela Merkel nachmittags im Regierungs-Airbus nach Brasilia sitzt, wird die Kanzlerin wissen, wie es gelaufen ist. Ob ihr die Griechenland-Abstimmung im Bundestag nur leichte Blessuren oder gar tiefe Schrammen zugefügt hat.

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Berlin (dpa) - Wenn Angela Merkel nachmittags im Regierungs-Airbus nach Brasilia sitzt, wird die Kanzlerin wissen, wie es gelaufen ist. Ob ihr die Griechenland-Abstimmung im Bundestag nur leichte Blessuren oder gar tiefe Schrammen zugefügt hat.

Knapp zwölf Stunden dauert der Flug zu den deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen - Zeit genug, um über die Folgen des Votums nachzudenken.

Und es zeichnete sich nichts Gutes ab: 56 ihrer Leute kündigten in einer Fraktionssitzung am Dienstagabend ein Nein zum dritten Griechen-Paket an, 4 wollen sich enthalten. Ob dies negative Folgen für Merkel in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode haben wird, hängt auch davon, wie viele Abweichler es dann bei der Abstimmung an diesem Mittwoch tatsächlich sein werden.

Nachdem die Kanzlerin bei zurückliegenden Entscheidungen über Hilfen für Athen meist selbst vor dem Plenum um Zustimmung warb, überlässt sie diesmal ihrem Finanzminister das Feld. 20 Minuten lang wird Wolfgang Schäuble (CDU) zu Beginn der Sondersitzung in einer Regierungserklärung darlegen, warum er selbst nun für ein Ja zu den neuen Milliarden-Krediten eintritt. Er will die zweifelnden Unionsabgeordneten überzeugen, indem er seine eigenen ursprünglichen Bedenken einräumt.

Schon am Montag hatte sich der Finanzminister, dessen Wort großes Gewicht in der Fraktion hat, im CDU-Bundesvorstand ausgesprochen positiv über das Verhandlungsergebnis geäußert. Einen Unterschied wie Tag und Nacht bei der Verhandlungsführung der Griechen habe er in den jüngsten Gesprächen ausgemacht, so schildern Teilnehmer Schäubles Einlassungen. Auch in der Fraktionssitzung warb der Minister am Dienstagabend um ein Ja - mit mäßigem Erfolg.

Wie viel dramatischer wäre die Lage in Berlin, wenn etwa die Union mit knapper Mehrheit alleine regieren würde oder einen schwachen Koalitionspartner hätte. Da müsste die Kanzlerin wohl mit der Vertrauensfrage nachhelfen. So aber steht ihr wieder einmal der Koalitionspartner SPD zur Seite, und auch die Grünen werden mit Mehrheit für das 86-Milliarden-Paket stimmen. Viel genutzt hat der SPD die Europa-Loyalität allerdings bisher nicht. Vorsichtig versucht sie, sich als „die Europapartei“ zu profilieren.

Dass Merkel und Schäuble viele der 60 Abweichler in den eigenen Reihen umstimmen könnten, die Mitte Juli bei der Abstimmung über die Aufnahme neuer Verhandlungen mit Athen ein Nein-Kärtchen abgegeben haben, hatten in der Fraktion allerdings die wenigsten geglaubt. Zu groß dürfte bei den Kritikern die Angst sein, künftig als Umfaller zu gelten. Wer auf die Fraktionslinie zurückschwenken wolle, habe einen hohen Begründungsbedarf, wird nüchtern analysiert - obwohl dies angesichts der Verhandlungsergebnisse durchaus begründbar sei.

Mehr noch als für Merkel, deren Führungsrolle in der CDU zwar nicht unumstritten, aber ohne Alternative ist, dürfte die Abstimmung für Fraktionschef Volker Kauder (CDU) zur Nagelprobe werden. Er hatte intern für schweren Unmut gesorgt, als er den Nein-Sagern damit gedroht hatte, ihnen wichtige Ausschussposten zu entziehen. In der Fraktionssitzung spielte das umstrittene Interview keine Rolle mehr. Kauder sei ganz ruhig vor der Abstimmung, heißt es in seinem Umfeld.

Spekulationen, sein Posten könne wackeln, falls die Zahl der Nein-Sager weit über die 60er-Marke wachse, werden aber als absurd zurückgewiesen. Niemand im eigenen Lager könne ein Interesse daran haben, Kauder oder Merkel nachhaltig zu beschädigen, hoffen sie in der Führungsetage der Unionsfraktion. Zumal auch Merkel sich erst am Sonntag eindeutig hinter ihren Fraktionschef gestellt hatte.

Doch eine Voraussage über das Abstimmungsergebnis traute sich niemand zu. Die Fraktion habe das Thema aber „in einer sehr guten und motivierenden Art und Weise“ behandelt, sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) am Abend nach der Sitzung. Die dauerte nur eine Stunde. Keine langen Diskussionen, kein Hin und Her.

Einzelgespräche mit Nein-Sagern werde es trotz der heiklen Lage nicht geben, wurde zuvor versichert. In solchen „Beichtstuhlverfahren“ wird sonst schon mal versucht, Wackelkandidaten auf Mehrheitskurs zu bringen. Kauder setze auf eine offene Diskussion, hieß es.

Auch Merkel warb vor den Abgeordneten für ihren Kurs, versuchte, Abweichler umzustimmen und noch schwankende Kritiker zu überzeugen. Ob das Erfolg gehabt hat, wird sich am Mittwochmittag zeigen. Erst gegen 13.00 Uhr, vermuten sie im Bundestag, wird klar sein, wer in der namentlichen Abstimmung die Gefolgschaft verweigert. Das genaue Ergebnis wird die Kanzlerin möglicherweise erst im Flieger erreichen.

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