Während täglich weiterhin mehr als 10 000 Flüchtlinge aus Griechenland Richtung Mitteleuropa strömen, versucht die EU die chaotische Lage auf dem Balkan in den Griff zu bekommen. Bei einem Sondertreffen in Brüssel, an dem neben Deutschland zwölf andere Länder teilnahmen, legte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Sonntag einen Plan vor, der vor allem auf praktische Verbesserungen der Lage abzielt. Im Entwurf der Abschlusserklärung hieß es am Abend, dass die betroffenen Staaten Verantwortliche zur Koordination in der Flüchtlingskrise benennen und Unterkünfte bereitstellen müssen. Migranten ohne Bleiberecht sollten "rascher und effektiver" abgeschoben werden. Die Staaten müssten auch mehr Flüchtlinge mit Fingerabdrücken registrieren. Zudem wird vorgeschlagen, die europäische Grenzschutzagentur Frontex an der Grenze Griechenlands zu Mazedonien und Albanien einzusetzen. Slowenien soll 400 Grenzschützer erhalten.
Vorrangiges Ziel sei es, "dass man den umherirrenden Menschen, die zum Teil unter unerträglichen Bedingungen leben, Hilfe angedeihen lässt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Brüssel. Die Flüchtlinge müssten "menschenwürdig" behandelt werden, es müsse abgesprochen werden, "wie wir uns die Aufgabe besser teilen können entlang der Balkanroute".
Immerhin: Endlich reden sie miteinander
Von Einigkeit war zunächst wenig zu spüren, Spannungen traten offen zutage. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sprach von "sehr heftigen Debatten" bei der Arbeitssitzung am Nachmittag. "Jeder ist versucht zu sagen, der andere sei schuld", sagte ein Diplomat. Allerdings wurde als positiv bewertet, dass bestimmte Staatenvertreter endlich an einem Tisch säßen und miteinander redeten. Kontrovers diskutiert wurde über die Forderung Junckers, das Durchleiten der Flüchtlinge müsse ein Ende haben. Der kroatische Regierungschef Zoran Milanović kritisierte die Vorschläge als unrealistisch.
Sein slowenischer Kollege Miro Cerar richtete einen dramatischen Hilfsappell an die EU. 60 000 Flüchtlinge seien in den vergangenen Tagen in seinem Land angekommen. Das sei absolut untragbar. Slowenien versuche menschlich zu bleiben, werde das Problem aber nicht ohne Hilfe lösen. Kroatien dürfe keine Flüchtlinge mehr ohne Vorwarnung und Koordination nach Slowenien schicken. Dringend nötig sei überdies der Schutz der EU-Außengrenzen. Die Existenz der Union stehe auf dem Spiel. Ungarn wiederum, das sich mit Grenzzäunen zu Serbien und Kroatien abgeriegelt hat, sieht sich nur noch als "Beobachter" der Flüchtlingskrise. "Ungarn liegt nicht mehr auf der Route", sagte Ministerpräsident Viktor Orbán.
EU-Kommission und Bundesregierung wollen erreichen, dass der Strom der Flüchtlinge von der Ankunft in Griechenland an besser kanalisiert und geordnet wird. Jedes Land auf der Balkanroute wurde bei dem Treffen aufgefordert, seine Aufnahmekapazitäten zu erhöhen. An Griechenland erging im Entwurf der Abschlusserklärung der Appell, 50 000 Menschen aufzunehmen und zu versorgen. Bisher hat das Land dem Vernehmen nach 30 000 Plätze angegeben.