Erste Auszählungen in Russland:Putin kehrt zurück in den Kreml

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Der russische Regierungschef Wladimir Putin hat die Präsidentschaftswahl vorläufigen Ergebnissen zufolge schon im ersten Wahlgang für sich entschieden. Nach ersten Auszählungen kommt der amtierende Ministerpräsident auf knapp 62 Prozent der Stimmen. Massive Fälschungsvorwürfe begleiteten die Wahl, die Opposition hat für den morgigen Montag Massenkundgebungen angekündigt.

Die Wahllokale sind geschlossen, das Ergebnis klar: Der russische Regierungschef Wladimir Putin hat die Präsidentenwahl offenbar mit deutlichem Abstand gewonnen. Er liege bei 63,4 Prozent der Stimmen, teilte die Wahlkommission in Moskau nach Auszählung von 30 Prozent der abgegebenen Stimmen mit.

Putins Anhänger feiern in der Nähe des Roten Platzes in Moskau. (Foto: REUTERS)

Keine zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale hat Putin vor mehr als 110.000 Anhängern seinen "sauberen Sieg" gefeiert. "Wir haben gewonnen! Ruhm für Russland!", rief der 59-Jährige auf einer live im Staatsfernsehen übertragenen Ansprache auf dem Manegenplatz nahe dem Kreml. Die "offene und ehrliche" Wahl sei ein Test für die Unabhängigkeit und Reife des Landes gewesen. Das russische Volk habe gezeigt, dass Versuche der Zerstörung des Staates zum Scheitern verurteilt seien. Das sagte Putin mit schneidendem Ton in der Stimme mit Blick auf die jüngsten friedlichen Massenproteste.

Zweiter wurde nach ersten Ergebnissen der Kommunistenchef Gennadij Sjuganow mit 17,2 Prozent, danach folgen der liberale Michail Prochorow mit 7,3 Prozen und der Rechtspopulist Wladimir Schirnowskij mit 7,2 Prozent. Der linkskonservative Sergej Mironow blieb unter vier Prozent. Die Wahlbeteiligung soll bei etwa 56 Prozent gelegen haben, melden russische Nachrichtenagenturen.

Mit seinem Sieg kehrt Putin im Mai nach vier Jahren in den Kreml zurück, wo er bereits von 2000 bis 20008 amtierte. Der neue Präsident wurde das erste Mal gemäß geänderter Verfassung für sechs und damit zwei Jahre länger als bisher gewählt. Putin kann laut Verfassung nach seinem Zwischenspiel als Ministerpräsident wieder zwei Amtszeiten als Kremlchef in Folge ableisten, wenn er 2018 noch einmal gewählt würde.

Die Opposition hat aus Protest gegen die aus ihrer Sicht unfaire Wahl und wegen mangelnden Wettbewerbs Massenkundgebungen für den morgigen Montag angekündigt.

Anschlag auf Wahllokal im Nordkaukasus

Bei einem Anschlag auf ein Wahllokal in der russischen Konfliktregion Nordkaukasus sind mindestens vier Menschen getötet worden. Drei maskierte Männer hätten das Gebäude in der Teilrepublik Dagestan am Sonntagabend kurz nach der Beendigung der Präsidentenwahl attackiert. Das teilten die Behörden am Sonntag nach Angaben der Agentur Interfax mit.

Bei dem Schusswechsel seien drei Mitglieder der Sicherheitskräfte und ein Angreifer ums Leben gekommen. Ein Polizist und ein Zivilist seien verletzt worden. Im islamisch geprägten Nordkaukasus kommt es immer wieder zu Gefechten zwischen Terroristen und kremltreuen Einheiten.

"Das wird keine ehrliche Wahl, aber wir dürfen nicht nachgeben"

Die Wahl war von massiven Betrugsvorwürfen begleitet. Erstmals wurde die Abstimmung praktisch flächendeckend mit Videokameras überwacht, um Fälschungsvorwürfe zu entkräften. Die unabhängige Wahlbeobachterorganisation Golos, die Oppositionspartei Jabloko und die neue Liga der Wähler beklagten dennoch Unregelmäßigkeiten wie bei der umstrittenen Parlamentswahl im Dezember. Das Innenministerium wies die Vorwürfe zurück. Abgesehen von unbedeutenden Manipulationsversuchen verlaufe alles reibungslos.

Unabhängigen Wahlbeobachtern zufolge wurden jedoch am Sonntag Wahlberechtigte mit Bussen von Wahllokal zu Wahllokal gefahren, um mehrfach abzustimmen. Zu mehrfachen Stimmabgaben kam es nach Angaben der Leiterin der Wahlbeobachtergruppe Golos, Lilia Schibanowa, in Moskau, Nowosibirsk und der sibirischen Stadt Barnaul.

"Wir haben natürlich mit Karussellen gerechnet, aber nicht in diesem Ausmaß", schrieb der prominente Oppositionelle und Blogger Alexej Nawalni im Kurznachrichtendienst Twitter.

"Das wird keine ehrliche Wahl, aber wir dürfen nicht nachgeben", sagte auch Michail Gorbatschow, der letzte Staatschef der Sowjetunion, bei der Stimmabgabe. Er äußerte sich zuletzt zunehmend kritisch über Putin. Ehrliche Wahlen seien das Motto für die kommenden Jahre, sagte er.

Michail Kasjanow, der dem Präsidentschaftskandidaten Putin einst als Ministerpräsident diente und später in die Opposition ging, sagte: "Diese Wahlen sind nicht frei. Wir werden den Präsidenten nicht als legitim anerkennen." Der Oppositionsführer Boris Nemzow sieht das ähnlich: "Das ist keine Wahl, das ist eine Imitation."

Der Zweitplatzierte Gennadi Sjuganow von der Kommunistischen Partei nannte die Abstimmung "weder sauber noch gerecht" und "nicht legitim". Er werde niemandem zum Sieg gratulieren, sagte er. Sjuganow kündigte an, den Druck auf die Machthaber zu erhöhen.

Nach Massenprotesten gegen den Sieg von Putins Partei Einiges Russland bei der Dumawahl hatten oppositionelle Gruppen eine nie dagewesene Zahl an Beobachtern mobilisiert. Zehntausende wollten Fälschungen verhindern. Auch internationale Beobachter zum Beispiel von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren im Einsatz. Auf staatlicher Seite waren Anzeichen von Nervosität zu spüren: 450.000 Sicherheitskräfte überwachten im ganzen Land die Wahl.

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