Wenn Staatsanwälte von ihrem "General" reden, dann meinen sie nicht einen hohen Offizier, sondern ihren Generalstaatsanwalt. Er ist der Chef aller Staatsanwälte in seinen Bezirken. Er hat Weisungsbefugnis. Ob er sie einsetzt oder nicht, ist eine andere Sache.
Der "General" hat noch einen Höheren über sich - einen Justizminister oder eine Justizministerin. Im Landtag zu Hannover hat sich am Freitag etwas Unerhörtes begeben, das in der Geschichte der Generalstaatsanwälte in Deutschland einmalig ist. Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) gab bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Göttingen, die zum Bezirk des Braunschweiger Generalstaatsanwalts gehört, ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen gegen den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig eingeleitet habe.
Monatelange Ermittlungen gegen Unbekannt
Lüttig werde vorgeworfen, als Ex-Leiter der Strafrechtsabteilung im Niedersächsischen Justizministerium sowie als Generalstaatsanwalt "in acht Fällen in strafbarer Weise Geheiminformationen an Dritte weitergegeben zu haben". Sieben Fälle beträfen Informationen aus dem Verfahren gegen den Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff. Ein Fall betreffe das laufende Verfahren gegen den Ex-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy. Lüttig war im Mai 2012 "General" geworden.
Sie sei sich, erklärte Niewisch-Lennartz, der Bedeutung ihrer "Erklärung vor dem Hohen Haus sehr bewusst". Aber auch in diesem Fall gelte die Unschuldsvermutung.
Monatelang hatten die Strafverfolger in Göttingen ein Verfahren gegen Unbekannt geführt. Und vor kurzem bekam es einen Namen: Lüttig. Auch gegen einen zweiten Beschuldigten wird ermittelt, aber dessen Namen wollen derzeit "aus ermittlungstaktischen Gründen" weder Justizministerium noch die Staatsanwaltschaft nennen.
Das Wulff-Verfahren, um das es im Wesentlichen geht, war in vielfacher Hinsicht ungewöhnlich. Es gab einen Ermittlungsexzess, den man auch als Verfolgungssucht beschreiben kann. Am Ende ging es gerade um 750 Euro und Lüttig fand die Ermittlungen dennoch angemessen.
Ungewöhnliches Verhalten des "Generals"
Frank Lüttig gab seine Meinung zum Fall Wulff stets freimütig zu Protokoll. Der Ex-Bundespräsident war nicht gut auf ihn zu sprechen.
(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)Er erklärte, die 30 000 Seiten Akten, die eine Million Dateien, die Einzelheiten von 45 Bankkonten und die Durchsuchungen in etlichen Häusern, Wohnungen, Büros stellten "eine lückenlose und sehr plausible Kette von Beweisen" für die angebliche Bestechlichkeit des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten dar. Von den etwa zwei Dutzend Beamten sei "kein exzessiver" Aufwand betrieben worden.
Ungewöhnlich an dem Verhalten von Lüttig war, dass er vor und während des Strafprozesses gegen Wulff, der mit einem Freispruch endete, so tat, als gäbe es an dessen Schuld keine Zweifel. Es seien "schon Mörder verurteilt worden, obwohl keine Leiche gefunden wurde", betonte er.