Eine durch die Wikileaks-Dokumente angestoßene gemeinsame Recherche der britischen Tageszeitung Guardian und der BBC bringt Ex-CIA-Chef David Petraeus und den damaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld mit Folter in irakischen Gefängnissen in Verbindung. Die Vorwürfe gehen zurück auf die Zeit, in der Petraeus als führender Offizier der US-Armee am Irak-Krieg und der anschließenden Besatzung (2003-2011) beteiligt war.
Bisher hatten die USA stets behauptet, dass die Folterfälle, beispielsweise im Militärgefängnis Abu Ghraib, auf das Fehlverhalten einzelner Sicherheitskräfte zurückzuführen sei. Die Guardian-/BBC-Dokumentation zeichnet ein völlig anderes Bild:
- Das Pentagon schickte demnach zwei hochrangige Kriegsveteranen in den Irak. Ihr Auftrag: den Aufbau von Foltergefängnissen durch die irakische Militärpolizei (Special Police Commandos, SPC) zu überwachen. Colonel James H. Coffman und Colonel James Steele erstatteten David Petraeus beziehungsweise Donald Rumsfeld direkt Bericht.
- Der Guardian zitiert den irakischen General Muntadher al-Samari, der dem Bericht zufolge mit den beiden Offizieren zu der Zeit zusammengearbeitet habe. Er beschreibt die Zusammenarbeit von Coffman und Steele und nennt konkrete Folterpraktiken, von denen beide gewusst hätten:
"They worked hand in hand. I never saw them apart in the 40 or 50 times I saw them inside of the detention centres. They knew everything that was going on there [...] the torture, the most horrible kinds of torture."
"[...] all means of torture to make the detainee confess like using electricity or hanging him upside down, pulling out their nails, and beating them on sensitive parts."
- Nachdem das Pentagon ein Verbot aufgehoben habe, wonach schiitische Milizen nicht bei den Streitkräften arbeiten dürfen, seien immer mehr gewaltbereite Schiiten zu den SPC-Einheiten gekommen. Die Schiiten im Irak hatten wie die Kurden am meisten unter der Herrschaft des Sunniten Saddam Hussein gelitten. Nach seinem Sturz kam es immer wieder zu heftiger Gewalt gegenüber der sunnitischen Bevölkerung.
- Offenbar hatte es bereits vor den Recherchen der britischen Medien Hinweise darauf gegeben, dass Steele in die Folterpraktiken in den Gefängnissen involviert war. Sie zitieren zwei Journalisten der New York Times - Gilles Peress und Peter Maass - , die den Offizier vor Ort zu einem Interview trafen.
"We were in a room in the library interviewing Steele and I'm looking around I see blood everywhere."
"[...] there were these terrible screams, somebody shouting: 'Allah, Allah, Allah!' But it wasn't kind of religious ecstasy, [...] these were screams of pain and terror."
- Der Guardian beschreibt, dass die Verbrechen der SPC ins öffentliche Bewusstsein des Irak drangen, als Folteropfer im Fernsehen vorgeführt wurden. Petraeus, der als Befehlshaber der US- und Koalitions-Truppen auch für die Nato Training Mission der irakischen Sicherheitskräfte verantwortlich war, habe daraufhin von der SPC-Führung unter General Adnan Thabit verlangt, solche Bilder nicht mehr zu zeigen. Sein ehemaliger Übersetzer Sadi Othman bestätigt dies zwar, leitet daraus aber nicht ab, dass Petraeus Folter befürwortet habe. "Das ist Unsinn", sagte er. Auch eine offizielle Mitteilung dementiert die Vorwüfe. Petraeus habe derlei Vorfälle stets dem US-Militär, dem US-Botschafter und der irakischen Führung gemeldet.
- Colonel Steele wird nicht zum ersten Mal mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht. Zwar gibt es dem Guardian und BBC zufolge keine Beweise, dass er und Coffman persönlich Gefangene gefoltert hätten, doch glichen die Praktiken im Irak jenen, die auch im Bürgerkrieg in El Salvador festgestellt worden seien. Steele beriet in dem mehrjährigen Konflikt in den Achtzigern die von den USA unterstützte Militär-Junta und bildete Soldaten bei der Aufstandsbekämpfung aus. Auf Anfragen zu seiner Rolle im Irak und in El Salvador äußerte sich Steele Guardian und BBC zufolge nicht. Auch Coffman wollte keine Stellungnahme abgeben.
Nach seiner Karriere im Militär - nach dem Krieg im Irak übernahm Petraeus für ein Jahr auch das Kommando über die Isaf-Truppen in Afghanistan - wurde er im September 2011 als Chef der CIA vereidigt. Am 9. November 2012 musste Petraeus wegen einer außerehelichen Beziehung zu seiner Biografin von diesem Posten zurücktreten.