Die Macht des ADAC:Wie ein Lobby-Verband die Politik beeinflusst

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Gut 18,5 Millionen Mitglieder und beste Kontakte zu hochrangigen Regierungsmitgliedern: Die Macht des ADAC ist so groß, dass er es sich zuweilen sogar erlaubt, gegen die Interessen seiner Mitglieder zu handeln.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Eine feine Adresse ist das, die sich der ADAC da vor etwas über zehn Jahren ausgesucht hat. Unter den Linden 36, direkt am Berliner Prachtboulevard, der zum Brandenburger Tor führt. Das Café Einstein, größter Umschlagplatz für Informationen aller Art in der Hauptstadt, ist nur wenige Meter entfernt. Die Abgeordnetenbüros liegen fußläufig. Das Bundesministerium für Verkehr, Bauen und Wohnen ist mit dem Auto in fünf, mit dem Fahrrad in sieben Minuten erreichbar.

Beste Lage also für eine Organisation, deren Leitplanken nach eigener Sicht die Interessen aller Autofahrer in Deutschland sind. Oder zumindest der 18,5 Millionen Mitglieder, die der ADAC ausweist.

Die Aufgabe des sogenannten Präsidialbüros hat der ADAC eindeutig beschrieben: Die Präsenz in Berlin diene dazu, "Kontakte zur Politik und wichtigen Organisationen zu pflegen und auszubauen". Als Interessenvertreter der Autofahrer sehe sich der ADAC "gefordert, kurze Wege zur Politik zu schaffen". So könne er "seine Erfahrungen bei anstehenden Projekten und Gesetzesvorhaben einbringen".

Und das macht das vierköpfige Team um Büroleiterin Monica Berg ausgiebig. In Anhörungen zu Gesetzesvorhaben sind sie und andere Vertreter des ADAC oft als Referenten anwesend. Das Büro lädt regelmäßig Abgeordnete, Fraktionsmitarbeiter, Ministerielle und Journalisten zu Info-Veranstaltungen ein. Dort werden dann etwa neueste Studien des ADAC zu Verkehrsfragen präsentiert.

Michael Ramstetter und der ADAC
:Sie nannten ihn Rambo

Michael Ramstetter musste als Konsequenz aus der Manipulationsaffäre seinen Posten beim ADAC räumen. Ein Bauernopfer scheint er nicht zu sein. Glaubt man der Belegschaft, sind die geschönten Zahlen bei der "Gelbe-Engel"-Wahl nicht die einzige Verfehlung des ehemaligen Motorwelt-Chefredakteurs.

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Der ADAC liefert oft Informationen, auf die Abgeordnete nur ungern verzichten würden. Hinter dem mächtigen Apparat steckt viel wissenschaftliche Expertise. Und der ADAC hat das Geld, um auch mal große Studien in Auftrag zu geben. Die Fachleute des Automobilklubs haben selbst unter Grünen einen guten Ruf. Zumal der ADAC manche grüne Position teilt: strengere CO₂-Grenzwerte für Neuwagen etwa.

Wer sich unter den Verkehrsexperten im Bundestag umhört, bekommt eine einhellige Auffassung präsentiert: Die machten fachlich eine gute Arbeit im ADAC. Natürlich sei das auch eine Lobby-Organisation. Aber gegenüber Abgeordneten und hohen Beamten im Ministerium trete sie längst nicht so aggressiv auf, wie andere Verbände.

Braucht der ADAC auch gar nicht. Einer der größten Lobby-Verbände der Welt hat bessere Instrumente um seinen Interessen Nachdruck zu verleihen, als Abgeordneten und deren Referenten zur Last zu fallen. "Die sitzen auf einem hohen Ross", sagt etwa der CDU-Verkehrsexperte im Bundestag, Dirk Fischer aus Hamburg. "Kleine Klinken putzen die nicht."

Der ADAC putzt lieber die ganz großen Klinken. Jene, mit deren Hilfe sich die Türen zu den Büros von Ministern und Staatssekretären öffnen lassen. In einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung wollte die Linksfraktion Mitte 2013 wissen, wie im Detail sich die "Beziehungen der Automobil-, Luftfahrt- und Bauindustrie zur Bundesregierung" gestalten. Aus der Antwort vom 4. September 2013 ergeben sich seit 2009 über 60 hochrangige Kontakte des ADAC mit Ministern oder Staatssekretären der Bundesregierung. Über 20 Mal sind ADAC-Vertreter speziell mit dem damaligen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) oder einem seiner Staatssekretäre zusammengekommen.

Die Kontakte reichen von Runden Tischen mit der Kanzlerin über Vier-Augen-Gespräche zwischen Ministern und ADAC-Präsident Peter Meyer bis hin zur Teilnahme hochrangiger Politiker an prunkvollen ADAC-Veranstaltungen. Minister Ramsauer etwa war selbst mehrfach Gast der umstrittenen Preisverleihung "Gelber Engel" in München. Die Süddeutsche Zeitung hatte aufgedeckt, dass weit weniger Leser an der Abstimmung der ADAC-Mitgliederzeitschrift Motorwelt über das Auto des Jahres teilnehmen, als der ADAC bis dahin stolz kundgetan hat. Das Image des ADAC hat seither stark gelitten.

Oder der inzwischen vom Verkehrsstaats- zum CSU-Generalsekretär umgeschulte Andreas Scheurer, der derzeit wegen seines Doktortitels in Schwierigkeiten ist. Er hat den 15. September 2011 im schönen Riva del Garda am Gardasee verbracht. Dort veranstaltet der ADAC regelmäßig seinen Oldtimer-Event "Trentino Classic". Für Scheuer eine gute Gelegenheit mal auf Einladung des ADAC eine wegweisende Rede zu oldtimerpolitischen Fragen zu halten. An- und Abreise habe Scheuer selbst bezahlt, teilte das Ministerium bereits im Dezember 2013 dem Wall Street Journal mit.

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Der ADAC verspricht Aufklärung, sieht sich jedoch mit neuen Problemen konfrontiert. Nun droht sogar die bisher so enge Verbindung zwischen dem Autoclub und der Industrie aufzubrechen: VW denkt über drastische Schritte nach.

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Die eigentliche Lobbyarbeit aber wird von München aus gesteuert. Allein 19 Namen umfasst die Liste der Ansprechpartner für die Presse. Das hat Großkonzern-Niveau.

Wichtigstes Lobbyinstrument ist die hauseigene Zeitschrift ADAC-Motorwelt. 16 Millionen Leser, fast 14 Millionen gedruckte Exemplare. Wenn darin über die "fünf Mautlügen" berichtet wird und ADAC-Präsident Meyer von Kanzlerin Angela Merkel fordert, sie müsse ihr Wahlversprechen halten, dann hat das schon angesichts der schieren Größe der Zeitschrift Gewicht.

Gerne bespielt der ADAC auch große Boulevard-Medien wie die Bild-Zeitung. Geht es gegen die vermeintlichen Interessen der Autofahrer, erscheinen Bild und ADAC schnell wie Verbündete. Die Journalistin Corinna Emundts schrieb in dem Buch "Die fünfte Gewalt - Lobbyismus in Deutschland" von einer "Medienkooperation". Allerdings kommt auch sie zu dem Schluss, dass der ADAC "für Lobbying kein Negativbeispiel abgibt".

Oft ist das Anliegen ja auch ein durchaus gutes: 2007 etwa testete der ADAC zum ersten Mal Brückenbauten in ganz Deutschland. Das verheerende Ergebnis alarmierte die Politik. Geld wurde bereitgestellt und Brücken wurden saniert.

Schwierig wird es, wo die wirtschaftlichen Interessen des Milliarden-Konzerns ADAC mit den Interessen der Mitglieder kollidieren können. Der ADAC ist zwar vordergründig ein Verein - allerdings einer mit 8500 hauptamtlichen Mitarbeitern in fast zwei Dutzend Firmen. Hier eine Auflistung:

  • ADAC Autovermietung GmbH
  • ADAC Autoversicherung AG
  • ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH
  • ADAC Finanzdienste GmbH
  • ADAC Luftrettung gGmbH
  • ADAC Rechtsschutz Versicherungs AG
  • ADAC Schutzbrief Versicherungs AG
  • ADAC Service GmbH
  • DAC Touring GmbH
  • Aero-Dienst GmbH & Co. KG
  • ADAC Luftfahrt Technik GmbH
  • ADAC TruckService GmbH & Co KG
  • ADAC Verlag GmbH & Co. KG
  • ADAC Stiftung Sport
  • ADAC Stiftung "Gelber Engel" GmbH
  • FSZ Linthe Grundbesitz GmbH
  • AD Clubreisen GmbH
  • Deutsche Motor Sport Wirtschaftsdienst GmbH
  • ARC Europe S.A. (Brüssel)
  • ADAC Service Hellas
  • Deutsche Post Mobility GMBH

Wer sich etwa für die neuen Fernbuslinien interessiert, der dürfte dazu in der Motorwelt so schnell keinen besonders glaubwürdigen Test finden: Der ADAC unterhält selbst mit der Post ein eigenes Fernbusunternehmen: Den ADAC-Postbus.

Seltsam erscheint auch das Engagement des ADAC in Sachen Wechselkennzeichen. Der ADAC hat sich massiv dafür eingesetzt, dass Autofahrer seit 2012 zum Beispiel zwei eigene PKW wechselweise mit einem Kennzeichen nutzen können. Passenderweise hat der ADAC, der auch als Autoversicherer auftritt, eine eigene, angeblich günstige Versicherung für Inhaber von Wechselkennzeichen herausgebracht.

Und nicht immer vertritt der ADAC tatsächlich nur die Meinung aller Autofahrer. Vor gut einem Jahr hat die ARD in einem "Markencheck ADAC" Erstaunliches zutage gefördert: Der ADAC lehnt etwa die Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen generell ab. Eine ARD-Umfrage aber zeigte: 53 der Deutschen und 47 Prozent der ADAC-Mitglieder sind für ein Tempolimit. Die starre Haltung des ADAC lässt sich damit kaum vereinbaren.

Ähnlich ist es mit einer Null-Promille-Grenze am Steuer. Der ADAC ist strikt dagegen. Die Bevölkerung ist zu 80 Prozent dafür. Die ADAC-Mitglieder zu 78 Prozent. Weder an ein Tempolimit noch an die Null-Promille-Grenze hat sich die Politik bislang ernsthaft getraut. Auch Dank der Lobbyarbeit des ADAC.

Wo ADAC drauf steht, sind eben nicht immer Autofahrer drin.

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