Wer am vergangenen Donnerstag genau hingeschaut hat, der hatte schon so eine Ahnung. Als Michael Ramstetter bei der Verleihung des Autopreises " Gelber Engel" die Bühne betritt, kann er seine Verunsicherung kaum verstecken. "Ja, hier bin ich!", sind die Worte, mit denen er auf die Begrüßung der Moderatorin Nina Ruge reagiert. Als hätte jeder nur auf ihn gewartet, als sei der Star des Abends nun endlich ins Rampenlicht getreten. Die gespielte Souveränität verwandelt sich schnell in offensichtliche Unsicherheit. Ständig verhaspelt sich der sonst so redegewandte Ramstetter, die Preisvergabe zur besten Reiselimousine des Autojahres 2013 ist ein Kraftakt für Publikum und Laudator.
Als es vorbei ist, wirkt Ramstetters Lächeln gezwungen. Er weiß, dass er sich nun erklären muss. Er weiß, dass sein Weg beim ADAC nun zu Ende ist. Er weiß, dass er "Scheiße gebaut" hat, wie er gegenüber der Süddeutschen Zeitung am Sonntag einräumte. Und meinte damit die manipulierten Teilnehmerzahlen bei der Wahl zum Gelben Engel. Nun wird offensichtlich, dass dies auch auf andere Bereiche seines Schaffens zutrifft.
Macht und Verantwortung
Michael Ramstetter war seit Juni 1998 Kommunikationschef des ADAC und Chefredakteur der Mitgliederzeitschrift ADAC Motorwelt, die heute mit einer Auflage von 13,7 Millionen Exemplaren die auflagenstärkste Zeitschrift Europas ist. Es ist eine Position, die zwangsläufig Macht und damit auch Verantwortung mit sich bringt. Mit beidem konnte Ramstetter nur bedingt umgehen, wie aus Dokumenten und Zitaten hervorgeht, die der SZ vorliegen.
Interne Quellen kennzeichnen Ramstetter als Machtmenschen. "Er war ein Mann, der viel Macht sammelte", heißt es aus Mitarbeiterkreisen. "Und diese Macht hat er ausgekostet." Entscheidungen traf er im Alleingang, kritischen Mitarbeitern gegenüber sei er auch schon mal beleidigend geworden, drohte gar mit Kündigung. Er sei ein "Choleriker", sagen mehrere Köpfe der ADAC-Belegschaft zu SZ.de. "Schreien konnte er, und hinterher tat es ihm dann leid." Der Spitzname "Rambo" kam nicht von ungefähr.
Misstrauensvotum gegen Ramstetter
Ramstetter sei kein beliebter Chef gewesen. "Teilweise hat er seine persönlichen Interessen voran gestellt, nicht die des Lesers", berichten Quellen des ADAC. Das Misstrauen dem Kommunikationschef gegenüber ging so weit, dass sich die Mitarbeiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit in einem Schreiben, das der SZ vorliegt, an den Betriebsrat und die Personaldirektion gewandt haben. In dem Schreiben heißt es, dass Ramstetter "zu mehr Kommunikation, Transparenz und Kollegialität" aufgefordert werden solle. 30 ADAC-Mitarbeiter unterschrieben den Brief - mit ernüchterndem Ergebnis. "Die Personalleitung unternahm nichts", so ein ADAC-Insider.
Ramstetter hatte freie Bahn, die ADAC-Spitze hat ihn machen lassen - mit den bekannten Folgen. "Er konnte sich all das nur erlauben, weil grundsätzliche Dinge fehlten, darunter Aufsicht und Transparenz sowie die Teilung von Macht," sagt ein ADAC-Mitarbeiter. "All das" bedeutet: Jahrelang habe er die Teilnehmerzahlen bei der alljährlichen Wahl des Autopreises "Gelber Engel" geschönt. Denn die teils mickrigen Abstimmungszahlen ließen sich mit dem Selbstverständnis Ramstetters und des gesamten ADAC, als Sprachrohr der deutschen Autofahrer zu fungieren, nicht vereinbaren. Also wurden sie manipuliert - mit den bekannten Konsequenzen.
"Ramstetter hat viele gute Leute vergrault"
Aus dem Tagesgeschäft habe sich Ramstetter weitgehend herausgehalten, mehrheitlich repräsentative Aufgaben erfüllt. Die ADAC Motorwelt haben andere gemacht. Langjährige Redakteure. "Astreine Journalisten und Ingenieure, die einfach ihren Job machen", heißt es intern. Auf deren Arbeit Ramstetters Tun nun jedoch einen dunklen Schatten wirft. Er habe sich selbst zu wichtig genommen und an Selbstüberschätzung gelitten. "Man musste sich ein dickes Fell antrainieren", sagte ein langjähriger Angestellter. Er hat viele Journalisten kommen und gehen sehen, die den aggressiven Stil des Chefs nicht mehr länger ertragen wollten. "Ramstetter hat viele gute Leute vergrault."
Nun ist der Mann, der den ADAC in eine tiefe Krise stürzte, weg. Eine interne Revision soll nun klären, wie oft Ramstetter die Gelbe-Engel-Zahlen manipulierte und wie groß der Schaden ist, den er insgesamt hinterlassen hat. Denn wer sich aktuell im Internet umschaut, zum Beispiel auf der Facebook-Seite des ADAC, dem wird schnell klar: Die Scheiße, die Ramstetter nach eigener Aussage gebaut hat, ist gerade heftig am Dampfen.