Spannungen zwischen USA und China:China bezeichnet Abschuss von mutmaßlichem Spionageballon als "Überreaktion"

Lesezeit: 3 min

Die USA haben über dem Atlantischen Ozean, direkt vor der Küste von South Carolina, einen mutmaßlichen chinesischen Spionageballon abgeschossen. (Foto: Chad Fish/dpa)

Tagelang fliegt ein chinesischer Beobachtungsballon über den USA. US-Kampfjets schießen ihn über dem Atlantik ab. China ist verärgert und behält sich Konsequenzen vor.

Von Peter Burghardt, Washington, und Juri Auel, Washington

Nach dem Abschuss eines mutmaßlichen Spionageballons durch US-Kampfjets reagiert China verärgert. Das chinesische Außenministerium bezeichnet den Vorgang als eine "offensichtliche Überreaktion". Man behalte sich das Recht vor, darauf zu reagieren. Die chinesische Regierung äußerte ihre "starke Unzufriedenheit" aufgrund des Einsatzes von Gewalt durch die USA gegen ein "ziviles, unbemanntes Luftschiff". Es sei eine "ernste Verletzung" internationaler Praktiken. Zuvor hatten chinesische Außenpolitiker behauptet, es handle sich um einen Wetterballon, der wegen des Westwinds und begrenzter Steuerungsmöglichkeiten von der geplanten Route abgekommen sei. Einige Politiker und Medien in den USA hätten das ausgenutzt, um China in Verruf zu bringen.

Am Samstagnachmittag hatten die USA den mutmaßlichen Spionageballon aus China, der tagelang über den USA gesichtet wurde, abgeschossen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin teilte mit, dass US-Kampfflugzeuge "auf Anweisung von Präsident Biden den von der Volksrepublik China gestarteten und ihr gehörenden Überwachungsballon in großer Höhe über den Gewässern vor der Küste von South Carolina im amerikanischen Luftraum erfolgreich zum Absturz gebracht" hätten. Um 14.39 Uhr US-Ostküstenzeit traf eine Rakete, abgefeuert von einem US-Kampfflugzeug F-22 Raptor, das unerwünschte Flugobjekt.

Bereits am Mittwoch war das mysteriöse Luftschiff zunächst über dem Bundesstaat Montana im amerikanischen Nordwesten entdeckt worden, in der dünn besiedelten Gegend ist eine Militärbasis mit Silos für US-Atomraketen untergebracht. Joe Biden hatte nach einem Krisentreffen angeordnet, den Eindringling "so bald wie möglich" abzuschießen, aber wegen der Gefahr herabstürzender Trümmer erst über einem unbewohnten Gebiet.

Das Pentagon habe am Boden niemanden verletzen wollen, so Biden, der das Wochenende in Camp David verbrachte. "Sie haben entschieden, dass der beste Zeitpunkt dafür war, als der Ballon innerhalb unserer Zwölf-Meilen-Grenze über Wasser war. Sie haben ihn erfolgreich abgeschossen, und ich möchte unseren Fliegern, die das getan haben, ein Kompliment machen." An dem Einsatz seien mehrere Militärflugzeuge beteiligt gewesen.

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Am Donnerstagabend hatte das US-Verteidigungsministerium die Sichtung des Ballons publik gemacht, das Flugobjekt bewegte sich dann in Richtung Südosten, in einer Höhe von mehr als 20 000 Metern. Deutlich über den Routen der zivilen Luftfahrt, die üblichen Überwachungssatelliten sind noch sehr viel höher unterwegs. Die New York Times zitiert einen pensionierten Rüstungsunternehmer, der auf Pawleys Island in South Carolina den Abschuss erlebte. "Es waren zwei Kampfjets, die mit diesem Ding tanzten und es immer wieder umkreisten." Ein dritter Jet sei in der Nähe des Ballons geflogen und habe eine Rakete abgefeuert, als er die Küstenlinie überquerte. "Der runde, große, weiße Ball, den wir sahen - plötzlich sah er aus wie ein verschrumpeltes Kleenex."

Anwohner nahmen mit ihren Smartphones Videos des Einsatzes auf, eines davon zeigte CNN. Die umliegenden Flughäfen in North Carolina und South Carolina sowie der Luftraum der Gegend wurden während des Manövers geschlossen. Die Aktion diene "der Unterstützung des Verteidigungsministeriums bei einer nationalen Sicherheitsmaßnahme", erklärten die Behörden den Reisenden.

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Nun ist das US-Militär bemüht, Teile des vom Himmel geholten Ballons aus dem relativ flachen Wasser zu holen und zu begutachten, das Material interessiert die USA sehr. Das Luftschiff enthalte "einige hochentwickelte Kommunikationsgeräte", sagte ein Regierungsbeamter der Washington Post. "Aber was es tatsächlich tut, wissen wir nicht." Die Bergung der verstreuten Reste des Ballons und der Instrumente aus dem Meer könnte mehrere Tage dauern.

Die USA werfen China Spionage vor, Außenminister Antony Blinken nannte den Ballon einen "Überwachungsballon" und das Eindringen in den US-Luftraum "inakzeptabel". Ein hochrangiger Vertreter des Verteidigungsministeriums erklärte, der Ballon sei Teil einer ganzen Flotte, die China über fünf Kontinenten zur Spionage einsetze, auch in Europa. Chinesische Spionage sei noch nie so sehr im Mittelpunkt des Bewusstseins der amerikanischen Öffentlichkeit gestanden, sagte Lyle Morris, ehemaliger Länderdirektor für China im US-Verteidigungsministerium.

Seinen für diesen Sonntag geplanten Besuch in Peking sagte Blinken am Freitag kurzfristig ab, offiziell wurde der Termin auf unbestimmte Zeit verschoben. Er wollte auch den chinesischen Staatschef Xi Jinping treffen. Das Verhältnis der beiden Länder ist wegen der Krise im Pazifik, des Streits um Taiwan und auch des Kriegs in der Ukraine ohnehin sehr angespannt. Die diplomatischen Kanäle seien weiter offen, sagte Blinken. Chinas Handlungen hätten aber den Zweck der Reise unterminiert, die Beziehungen zu China auf ein solideres Fundament zu stellen. Zuletzt war ein US-Außenminister 2018 in China gewesen, die Präsidenten Biden und Xi trafen sich im November 2022 auf Bali.

Sichtungen ähnlicher Ballons über Lateinamerika

Unterdessen wurde im kolumbianischen Luftraum ein Objekt mit "ähnlichen Eigenschaften" gesichtet. Am Morgen des 3. Februar habe das nationale Luftverteidigungssystem in rund 17 000 Meter Höhe ein Objekt entdeckt, das im nördlichen Sektor des Landes in den Luftraum eingedrungen sei, teilte die kolumbianische Luftwaffe am Samstag mit. Das Objekt habe sich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 Knoten bewegt und dabei "ähnliche Eigenschaften wie ein Ballon" gezeigt. Die kolumbianische Luftwaffe habe das Objekt mit seinen Verteidigungssystemen verfolgt, bis es den Luftraum verlassen habe, hieß es weiter. Es habe "keine Gefahr für die nationale Sicherheit und Verteidigung sowie die Flugsicherheit" dargestellt. Die Luftwaffe arbeite nun mit anderen Ländern zusammen, um die Herkunft des Objekts festzustellen.

© SZ/Reuters/dpa/jael - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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