Die drei Attentäter kamen in der Dunkelheit, sie postierten sich auf der anderen Rheinseite in Königswinter, dann jagten sie Salve um Salve über den Fluss, auf die Bonner US-Botschaft. Minutenlang dauerte die Schießerei am 13. Februar 1991, auf dem Höhepunkt des Golfkrieges; Fassade und Fensterscheiben der amerikanischen Vertretung wurden mit 60 Einschüssen übersät.
Dass nicht Iraks Diktator Saddam Hussein das Terrorkommando geschickt hatte, war schnell klar: An der Uferpromenade, direkt neben dem Hotel Loreley, blieben ein leerer Munitionskasten der Bundeswehr zurück und eine Erklärung der RAF ("Gegen den US-Nato-Völkermord"), in der die Schützen den vor der Botschaft kampierenden Friedensfreunden wortreich versicherten, sie seien nie in Gefahr gewesen: "Wir haben unsere Munition mit Leuchtspurmunition gemischt, damit Ihr gleich seht, wo genau sich die Schießerei abspielt, und niemand von Euch vor Schreck in die falsche Richtung läuft."
Drei ehemalige RAF-Mitglieder entwischen der Justiz seit 25 Jahren
An diese Zeit hat Armin Schuster, 57, eine besondere Erinnerung: Als junger Beamter des Bundesgrenzschutzes patrouillierte er an der Rheinbrücke in Kehl, mit schusssicherer Weste und umgehängter Maschinenpistole. Heute ist Schuster Bundestagsabgeordneter der CDU, Vorsitzender des Geheimdienst-Kontrollgremiums, außerdem Mitglied im Innenausschuss. Und so etwas wie der prominenteste Vertreter einer immer drängender auftretenden Gruppe von Politikern. Sie bezweifeln, dass genug getan wird, um die Taten der einstigen Rote-Armee-Fraktion (RAF) aufzuklären und die bis heute flüchtigen Täter zu fangen.
Eine Terroristin, die höchstwahrscheinlich an der Attacke auf die US-Botschaft beteiligt war, ist den Ermittlern schon seit Jahren bekannt, sie heißt Daniela Klette, ist heute 59. Seit einem Vierteljahrhundert aber entwischt sie allen Fahndern. In jüngster Zeit gelang es ihr sogar, immer wieder mitten in Deutschland aufzutauchen, Geld zu rauben, und wieder abzutauchen. Gemeinsam mit zwei weiteren Gefährten aus RAF-Zeiten, Burkhard Garweg, der in diesem Jahr 50 wird, und Ernst-Volker Staub, 63.
Erst unlängst war dieser Umstand wieder Thema im Innenausschuss, wo Bundesanwaltschaft und Bundesjustizministerium sich bereits zum zweiten Mal für eine Entscheidung rechtfertigen mussten: Dass die kleine Staatsanwaltschaft in Verden an der Aller und das Landeskriminalamt in Hannover nach den untergetauchten RAF-Terroristen suchen. Und nicht mehr Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt (BKA), Bundesnachrichtendienst.
Die sogenannte dritte Generation der RAF, zu der Klette, Staub und Garweg gezählt werden, agierte anders als ihre Vorgänger. Sie hinterließ kaum Fingerabdrücke oder sonstige Spuren, und sie tauchte spätestens im April 1998 endgültig ab, als die RAF sich auflöste. Die Ermittler stehen vor ungelösten Rätseln, vor einigen der spektakulärsten Kriminalfälle der deutschen Geschichte, etwa dem Mord am Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, oder am Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder.
Die heutigen Taten sind nicht mehr politisch brisant
Dass sich der Bund nun heraushält, ist für den CDU-Politiker Schuster ein Unding. "Wir brauchen die geballte Kompetenz der Bundesbehörden." Angeblich soll auch der langjährige Innenminister Thomas de Maizière das so gesehen haben. Es sei "seltsam", dass der Bund hier nicht weiter ermittle, sagt auch der grüne Innenpolitiker Konstantin von Notz.
Die Begründung der Bundesbeamten lautet: Die heutigen Taten des RAF-Trios seien nicht mehr politisch brisant genug, um ein Eingreifen der Anti-Terror-Justiz zu rechtfertigen. Die drei Verdächtigen finanzierten mit ihren inzwischen zahlreichen Überfällen auf Geldtransporter und Supermärkte ja nur noch ihr Leben im Untergrund.
Auch sei ihre politische Relevanz als Terroristen gerade verjährt: Am 20. April 2018 war es genau zwanzig Jahre her, dass die RAF sich auflöste. Eine Verfolgung wegen der reinen Mitgliedschaft in der Terrorgruppe ist seitdem nicht mehr möglich, der betreffende Paragraf soll dem "Rechtsfrieden" dienen.