Präsidentschaftswahl in Ecuador:Linkspolitikerin gegen Bananen-Unternehmer

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Geht aus der Wahl stark hervor, muss aber wohl in die Stichwahl mit dem Zweitplatzierten: Ecuadors linke Präsidentenanwärterin Luisa González. (Foto: Galo Paguay/AFP)

Nach der Ermordung eines Kandidaten fand die ecuadorianische Präsidentenwahl in einem "Klima der Angst" statt. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs ist eine Überraschung.

Überschattet von dem Mord an einem Kandidaten und unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen hat Ecuador über einen neuen Präsidenten abgestimmt. Nach Auszählung von gut 92 Prozent der Stimmen lag die Linkspolitikerin Luisa González aus dem Lager des wegen Korruption verurteilten Ex-Präsidenten Rafael Correa (2007 bis 2017) mit 33,27 Prozent vorn. Das ging aus der Seite der Wahlbehörde CNE am frühen Montag (Ortszeit) hervor.

An zweiter Stelle folgt der Bananen-Unternehmer Daniel Noboa mit 23,69 Prozent. Sein Abschneiden gilt als große Überraschung - in Umfragen hatte er zuvor weit hinten gelegen. Zwischen González und Noboa wird es eine Stichwahl geben, sollte kein Präsidentschaftskandidat am Ende auf die absolute Mehrheit oder mindestens 40 Prozent der Stimmen mit zehn Prozentpunkten Vorsprung auf den Zweitplatzierten kommen. Als Datum dafür nannte die Wahlbehörde den 15. Oktober.

Kandidaten gehen mit kugelsicherer Weste zur Stimmabgabe

Insgesamt bewarben sich acht Kandidaten um das höchste Amt in Ecuador, das zwischen den Koka-Anbauländern Peru und Kolumbien liegt und von einer Welle der Gewalt erschüttert wird. Der deutschstämmige frühere Vizepräsident Otto Sonnenholzner erkannte früh seine Niederlage an. Neben dem Posten des Staatsoberhauptes standen auch die Abgeordneten der Nationalversammlung in dem knapp 18 Millionen Einwohner zählenden Land zur Wahl. Zudem standen zwei Volksentscheide zur Ölförderung im Amazonasgebiet und zum Bergbau in den Nebelwäldern bei Quito zur Abstimmung.

Der Tag der Demokratie sei dank der gemeinsamen Arbeit der Streitkräfte und der Polizei sowie dank mehr als 40 000 Wahlhelfern völlig ruhig und in Frieden abgelaufen, sagte die Vorsitzende der Wahlbehörde des südamerikanischen Landes, Diana Atamaint, zum Start der Auszählung am Sonntagabend.

Eineinhalb Wochen nach der Ermordung des Oppositionskandidaten Fernando Villavicencio war die Lage zwar ruhig, aber sehr angespannt, wie der politische Analyst Andrés González der Deutschen Presse-Agentur sagte. "Die Wahlen sind jetzt plötzlich eine gefährliche Veranstaltung, es herrscht ein Klima der Angst. Für uns ist diese Situation fremd. Es war noch nie so, dass man sich fürchten musste, wenn man in ein Wahllokal geht." Wählende würden sich unsicher umschauen, verdächtige Autos kontrolliert. Kandidaten gingen mit kugelsicheren Westen und umringt von Sicherheitskräften zum Wählen, das Militär zeigte mit Zehntausenden Soldaten in den Straßen und in Wahllokalen verstärkte Präsenz.

Der Oppositionspolitiker Villavicencio, dessen Name immer noch auf den Wahlzetteln stand, war vor eineinhalb Wochen nach einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Quito erschossen worden. Die Regierung machte das organisierte Verbrechen für die Tat verantwortlich. Villavicencios Partei Construye (Baue) präsentierte den Investigativjournalisten Christian Zurita als neuen Kandidaten, nachdem sie zwischenzeitlich eine Umweltaktivistin als Ersatz für den Ermordeten präsentiert hatte.

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Ecuador dient als Transitland für Kokain, Verbrechersyndikate kämpfen um die Routen für den Drogenhandel. Villavicencio hatte angekündigt, hart gegen Korruption und Kriminalität durchzugreifen. Die vorgezogenen Präsidenten- und Parlamentswahlen waren notwendig geworden, weil der konservative Staatschef Guillermo Lasso inmitten eines Amtsenthebungsverfahrens wegen mutmaßlicher Unterschlagung gegen ihn die Nationalversammlung aufgelöst hatte.

Die Wahlbehörde wies Berichte zurück, wonach die Plattform für die Stimmabgabe aus dem Ausland gehackt worden sei. Unerlaubte Zugriffsversuche auf die Plattform seien blockiert worden, teilte die Behörde mit. Der Behördenvorsitzenden Atamaint zufolge kamen die Angriffe unter anderem aus Indien, China und Russland.

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