Bundespräsident Joachim Gauck hat die Diskriminierung der Roma in Europa kritisiert. Dieser Minderheit müsse ein menschenwürdiges Leben - vor allem in Herkunftsländern wie Bulgarien und Rumänien - ermöglicht werden, sagte Gauck am Freitag im Kieler Landtag. "Das fordert uns in Deutschland, aber es fordert auch Europa, es ist eine europäische Aufgabe."
Roma verließen ihre Heimat aus Not, "oft auch wegen aktueller Diskriminierung oder gar Verfolgung", um als EU-Bürger in Deutschland und anderen EU-Staaten ein besseres Leben zu suchen, sagte Gauck. Führe ihre Anwesenheit vor Ort zu Konflikten, müsse das am konkreten Fall geklärt und nach Lösungen gesucht werden. "Aber eine ganze Gruppe von Menschen zu stigmatisieren oder ihnen pauschal die Integrationsfähigkeit abzusprechen, setzt die unheilige Tradition jahrhundertelanger Diskreditierung, Ausgrenzung und Verfolgung fort."
Als positives Beispiel würdigte Gauck Schleswig-Holsteins Umgang mit seinen Minderheiten. Er verwies auf die Aufnahme der Roma in die schleswig-holsteinische Landesverfassung als geschützte Minderheit wie bereits die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe.
In den Medien waren zuletzt verstärkt lokale Missstände in Siedlungen mit Sinti und Roma aus Osteuropa thematisiert worden. Das Thema vermischt sich dabei mit Debatten um den Zuzug ärmerer Bürger aus Bulgarien und Rumänien. Der Deutsche Städtetag sprach von "Armutszuwanderung aus Südosteuropa". Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnte in der Diskussion um die EU-Freizügigkeit vor einem "Flächenbrand" durch Sozialbetrug.
Appell an Gauck
In Duisburg demonstrierten kürzlich bereits Mitglieder der rechtsextremen Pro-NRW-Bewegung vor einer Roma-Siedlung. In Bremen entzog die SPD einem ihrer Bürgerschaftsabgeordneten die Mitgliedsrechte, weil er sich im Internet abfällig über Roma geäußert hatte.
Der Zentralrat der Sinti und Roma in Deutschland hatte Gauck daraufhin in einem Brief gebeten, mäßigend aufzutreten und "einen Appell an die demokratischen Parteien zu richten, die ausschließlich gegen Sinti und Roma gerichteten Diskussionen über Kriminalität und Armutsflüchtlinge nicht weiter zum Wahlkampfthema zu machen". Roma würden zur "öffentlichen Gefahr" erklärt.
Wie viele Sinti und Roma zuletzt aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland einwanderten, wird von den amtlichen Statistiken nicht erfasst. Die Gesamtzahl der Zuzügler aus diesen Ländern stieg nach Angaben des Statistischen Bundesamts im ersten Halbjahr 2012 um 24 Prozent auf 88.000. Insgesamt wanderten in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres rund 500.000 Menschen ein.