Digitalkonferenz SXSW:Die Mission des Bernie Sanders

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Senator Bernie Sanders spricht auf der Konferenz SXSW in Austin, Texas. (Foto: Bloomberg)

Nach der Wahl ist vor der Wahl: Der ehemalige Präsidentschaftskandidat wirbt unermüdlich für seinen "demokratischen Sozialismus" - und wird bei der Digitalkonferenz SXSW in Austin gefeiert wie ein Rockstar.

Von Beate Wild, Austin

Für Bernie Sanders hat der Wahlkampf nie wirklich aufgehört. Nachdem Donald Trump im Herbst 2016 seine parteiinterne Rivalin Hillary Clinton besiegt hatte, hat der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Demokraten einfach weitergemacht. Auftritte, Fernsehdebatten, Bürgerversammlungen, kämpferische Auftritte im Kongress. Nun hat ihn seine Mission nach Austin geführt. Hier in der texanischen Hauptstadt findet in diesen Tagen die "South by Southwest" (SXSW) statt, eine Konferenz für Technologie- und Gesellschaftsdebatten, die überwiegend junge Digitalarbeiter und Vorwärtsdenker anzieht. Genau das richtige Publikum für den inzwischen 76-jährigen Sanders.

Das Publikum jubelt schon, als nur sein Name angekündigt wird. Als er auf die Bühne kommt, springen alle von ihren Stühlen auf. Viele kreischen, als würde Mick Jagger dort oben stehen. Und vermutlich gibt es kaum jemanden im Saal, der nicht sein Handy zückt, um diesen Moment zu filmen oder wenigstens zu fotografieren. CNN-Moderator Jake Tapper, der das Gespräch mit Sanders führt, muss die euphorisierte Menge erst einmal auffordern, sich wieder zu setzen, bevor es losgehen kann.

Die Anziehungskraft hat Bernie Sanders nicht verloren. Die Sehnsucht nach einer Figur wie ihm ist unter den Demokraten sogar noch gewachsen. Von Kleinspenden finanziert, authentisch, populistisch und mit einer klar linken Botschaft: Ein Teil der Partei hält das für die Zutaten, um die US-Amerikaner wieder zu überzeugen.

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Sanders: "Trump-Wähler sind verletzlich"

Sanders will dieser Tage dem Eindruck entgegenwirken, seine sozialdemokratischen Ideen hätten im amerikanischen Mainstream keine Chance. So tingelt er derzeit durch konservative Wahlbezirke und Städte, genau dort werde er gebraucht, sagt er. Am nächsten Tag etwa habe er Lubbock auf der Liste. In der nordtexanischen Stadt stimmten 2016 zwei Drittel für Trump. "Ein sehr progressiver Ort, habe ich mir sagen lassen", scherzt er.

Doch Sanders liegt es fern, abfällig über Konservative zu sprechen. Nie würde er, wie Hillary Clinton damals im Wahlkampf, sie "einen Korb voller Bedauernswerter" nennen. Sanders sagt: "Trump-Wähler sind keine Rassisten, sie sind nur verletzlich und sehnen sich nach Hilfe." Und diese Hilfe will er ihnen geben. "Wir müssen mit ihnen reden, wir müssen sie mitnehmen, jeder muss in diesen Prozess eingebunden werden." Es klingt, als sei nichts leichter als das. Der langjährige Aktivist will außerdem, dass die Demokraten aktivistischer werden, sich von den finanzstarken Interessengruppen lösen. "Kleinspenden, Anrufe bei Abgeordneten, Teilnahme an Bürgerversammlungen", zählt er auf, wie jeder seinen Beitrag leisten könne.

Moderator Tapper gelingt es hin und wieder, eine Frage einzuwerfen. Sanders antwortet im stets gleichen Duktus: "Ich erzähle Ihnen, warum", setzt er beispielsweise an, holt tief Luft und fährt mit gesenkter Stimme fort, als würde er ein gut gehütetes Geheimnis ausplaudern. Sein rechter Zeigefinger fuchtelt unentwegt durch die Luft. Jeder kennt seinen Sprachstil und seine Gestik, er wirkt vertraut. Auch wenn er grundsätzlich wird. "Das Problem mit Trump ist", beginnt er und wird vom Lachen des Publikums unterbrochen. Sanders grinst und korrigiert sich: "Eines der vielen Probleme mit Trump ist, dass er täglich lügt. Was er heute sagt, ist morgen nicht mehr gültig."

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Der Senator von Vermont ist inzwischen wieder als parteiloser "Independent" registriert. Die ihm nahestehende Unterstützergruppe "Our Revolution" versucht landesweit, links-progressive Demokraten ins Amt zu bringen. Teile des Partei-Establishments fürchten allerdings, dass solche Kandidaten bei moderaten Wählern oder in eher konservativen Wahlbezirken keine Chance hätten. Das Democratic Congressional Campaign Committee (DCCC), das Wahlkampfkomitee der Demokraten im Abgeordnetenhaus, hatte in Texas zuletzt die Kampagne von Laura Moser, einer linken Aktivistin aus dem Großraum Houston, torpediert. Mit der Behauptung, die 40-jährige Kandidatin für das US-Repräsentantenhaus sei eine Karrieristin ohne Heimatliebe.

Die Einflussnahme auf die Kandidatenauswahl, schimpft Sanders, sei "inakzeptabel und muss ein Ende haben". "Die Wähler sollen entscheiden, nicht die Parteispitze", poltert er. "Sie wollen eben den stärksten Kandidaten, ist das nicht sinnvoll?", fragt Tapper. "Damit habe ich ja auch so meine Erfahrungen gemacht", antwortet Sanders. Der Saal lacht. Seit der Niederlage Clintons fragen sich viele Demokraten, wie Sanders gegen Trump abgeschnitten hätte.

In einer politischen Welt, in der Kandidaten-Marketing längst zum entscheidenden Kriterium (und zu einer milliardenschweren Industrie) geworden ist, erscheint Sanders wie aus der Zeit gefallen - und gerade deshalb nah- und wählbar. Auch politische Gegner rechnen es ihm an, gerade die junge Generation mobilisiert zu haben. Und außerdem ist es plötzlich in den USA einfacher, öffentlich ein "demokratischer Sozialist" - also ein linker Sozialdemokrat - zu sein. Auch wenn die politische Rechte an der eigenen Basis die Angst schürt vor einem angeblichen Sozialismus. In Umfragen zum beliebtesten Politiker belegt Sanders den ersten Platz. 57 Prozent der US-Amerikaner bewerteten ihn positiv.

Kann ein Fast-Achtzigjähriger für Aufbruch stehen?

Das macht ihn allerdings noch nicht zu einem logischen Präsidentschaftskandidaten im Jahr 2020. Bei der Amtseinführung wäre Sanders schon 79. Kann er als Fast-Achtzigjähriger für einen revolutionären Aufbruch stehen, den inzwischen jeder Kandidat versprechen muss? Die Kritik an seiner fehlenden außenpolitischen Erfahrung und der relativ dürftigen Bilanz bei der Einführung von Gesetzen im Senat ist weiter aktuell. Andererseits bewegt sich die Partei in seine Richtung: weiter nach links.

Noch hält Sanders sich alle Optionen offen und legt sich nicht fest. Möglicherweise beschränkt er sich darauf, die Präsidentschaftswahl 2020 im Hintergrund durch Empfehlungen und finanzielle Unterstützung zu beeinflussen, die Kandidatur aber einem Jüngeren zu überlassen. Allerdings gibt es bei den Demokraten bislang niemanden, der in Frage käme. Selbst Elizabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts, die ebenfalls wie Sanders für den progressiven Flügel steht, wäre bei der Amtseinführung schon 71 Jahre alt.

Was Sanders an diesem Nachmittag in Austin erzählt, ist nichts Neues. Seine Zuhörer stört das nicht. Sie hören ihm gerne zu, weil er ihnen Mut zuspricht. Weil er sie in unruhigen Zeiten tröstet und ihnen das Gefühl gibt, eine andere Welt sei möglich. Einen anderen Charismatiker haben die Demokraten derzeit nicht. Und in der Trump-Ära wachsen mit der Zahl der verzweifelten Progressiven auch Sanders' Chancen jeden Tag.

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