Parteitag:Die Linke hofft auf einen offenen Kampf

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Angespanntes Verhältnis: Die Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch (l-r) und Sahra Wagenknecht sowie die Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger und Katja Kipping. (Foto: dpa)
  • Auf dem Bundesparteitag der Linken am Wochenende stellen sich die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger zur Wiederwahl.
  • Vor allem das Verhältnis zwischen Kipping und der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht ist zerrüttet.
  • Inhaltlich entzündet sich der Streit an der Flüchtlingsfrage und Wagenknechts Vorschlag einer linken Sammlungsbewegung.

Von Jens Schneider, Berlin

Selbst in der Linkspartei dürften manche gerätselt haben, wer diese beiden sind: Jörg Schindler? Frank Tempel? Richtig bekannt sind die Bewerber um das Amt des Bundesgeschäftsführers der Linken nicht. Aber immerhin wollen sie am Wochenende auf dem Bundesparteitag der Linken in Leipzig gegeneinander antreten, und das ist schon was für eine Partei, die einen offenen Kampf bitter nötig hätte.

Kurz vor ihrem Parteitag ist die Linke in einer grotesken Situation. Jeder weiß, dass ihre führenden Köpfe zerstritten sind, lange schon. Das Verhältnis zwischen den Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger einerseits und Sahra Wagenknecht ist schwer gestört. Wagenknecht führt mit Dietmar Bartsch die Bundestagsfraktion. Man redet selten mit-, dafür übereinander. Viel ist von persönlichen Rivalitäten vor allem zwischen den politischen Talenten Wagenknecht und Kipping die Rede. Tatsächlich spielen Stilfragen eine Rolle, aber es geht im Kern auch um eine zentrale politische Frage, die Flüchtlingspolitik, meist indirekt, über Interviews oder Facebook.

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Wagenknecht will, unterstützt von ihrem Mann Oskar Lafontaine, dass die Linke ihren Kurs ändert. Sie hält jene Formel für falsch, die das linke Selbstverständnis in der Migrationspolitik in vier Worten definiert: "Offene Grenzen für alle". Wagenknecht hat diese Haltung in Interviews als weltfremd kritisiert, und Verständnis für Menschen geäußert, die Angst vor einer unbegrenzten Zuwanderung zeigen. Ihr wurde vorgeworfen, die Partei nach rechts schieben zu wollen. Sie findet das infam. Ihre Kritiker sehen ihre Haltung als Angriff auf die Grundprinzipien der Partei.

Mobbing-Vorwürfe und die Idee einer linken Sammlungsbewegung

Begleitet wird der Streit von Mobbing-Vorwürfen. Einen Höhepunkt brachte der März, als Wagenknecht dem Vorstand in einem Interview vorwarf, dass die Partei schlecht geführt sei - und klagte, die Chefs würden gegen die Fraktionsführung arbeiten. Darauf schrieben ihr 25 von 69 Bundestagsabgeordneten einen Brief. Sie seien erstaunt über die Kritik. Wagenknecht solle sich lieber um die "Vielzahl ungeklärter Konflikte und offener Probleme" in der Fraktion kümmern - und in der Flüchtlingsfrage auf Parteikurs zurückkehren.

Seit Wochen blickt man dem Parteitag entgegen, er sollte die Bühne sein, um den Streit zu klären. "Ich hätte mir gewünscht, dass die Debatte über die Flüchtlingspolitik weniger über Facebook und mehr innerhalb der Partei gelaufen wäre", sagt Katja Kipping vorab. Ob der Streit in Leipzig ausgetragen wird, ist offen. Die Parteiführung steht zur Wiederwahl, Wagenknecht hätte wohl andere Bewerber gewünscht. Nach letztem Stand gibt es keine Gegenkandidaten zu Kipping und Riexinger.

Wagenknecht braucht so ein Amt nicht, um Gehör zu finden. Sie konzentrierte sich zuletzt auf ihr Projekt einer linken "Sammlungsbewegung", die sie neben der Partei aufbauen will. Eigentlich sollte der Gründungsaufruf in diesem Sommer veröffentlicht werden. Die Sache hakt, inzwischen ist von September die Rede. Die Parteichefs kennen das Projekt vor allem aus Medienberichten. "Ich fände das Werben für die Sammlungsbewegung überzeugender, wenn es nicht so oft damit verbunden wäre, abfällig über die Linke zu sprechen", sagt Kipping. Noch so ein Thema, das die Partei umtreibt, ohne ausgetragen zu werden. Die einzig sichere Konfrontation in Leipzig verspricht die Konkurrenz ums Amt des Bundesgeschäftsführers. Jörg Schindler gilt als Kandidat des Vorstands und wird als Kampfansage an Wagenknecht verstanden. Montag meldete der frühere Bundestagsabgeordnete Frank Tempel aus Thüringen seine Kandidatur an: Es solle nicht nur den Wunschkandidaten der Vorsitzenden geben, sagte er.

Streitpunkt Flüchtlingspolitik

Und die Flüchtlingsfrage? Die Parteispitze hat einen Leitantrag vorgelegt, der im Kern die bisherige Linie bestätigt - und als klare Absage an Wagenknecht gelesen wird. Man spricht sich für "offene Grenzen" aus - wenn auch nicht mehr für "offenen Grenzen für alle", eine wohl eher semantische Frage. In den Gremien gab es keinerlei Widerspruch, aus der Partei kamen bisher keine Änderungsanträge. Lafontaine hat wissen lassen, dass er nicht nach Leipzig kommt. Wagenknechts Auftritt dürfte, wieder mal, im Fokus stehen.

Der Vorstand sieht in der Flüchtlingsfrage eine große Mehrheit hinter sich. "Die Partei ist nicht zerstritten", sagt Riexinger. Er betont gern, dass die Linke in Umfragen gut da stehe, in der Hauptstadt Berlin sogar stabil vor der SPD liegt und es bundesweit zuletzt viele Neueintritte gab.

Der Parteitag werde "eine inhaltliche Richtungsentscheidung fällen, an die sich danach auch alle halten müssen", sagt Riexinger. "Wenn der Leitantrag beschlossen ist, sollte damit auch die öffentliche Auseinandersetzung um die Flüchtlingspolitik beendet sein." Aber wie der Vorstand das gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen könnte, das können die beiden Parteichefs nicht erklären.

© SZ vom 08.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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