Deutsche Islamkonferenz:Trockene Absichtserklärungen

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Minarett neben Kirchturm - in Frankfurt ist das Realität. (Foto: dpa)
  • Vor zehn Jahren tagte zum ersten Mal die Islamkonferenz. Erstmals saßen sich Staat und Muslime zumindest für die Dauer des Treffens auf Augenhöhe gegenüber.
  • Gespräche gibt es auch noch heute. Doch ihre Themen berühren vor allem die Mühen der Sozialgesetzgebung und des Juristischen. Gleichzitig sind die Verbände zerstritten.
  • Gescheitert ist die Islamkonferenz allerdings nicht. Innenminister Thomas de Maizière hat es geschafft, die Beteiligten am gemeinsamen Tisch zu halten.

Von Matthias Drobinski, München

Schon der Ort des Treffens war ein Symbol. Wolfgang Schäuble, damals Innenminister der Bundesrepublik Deutschland, hatte das Schloss Charlottenburg reservieren lassen, mit seinem hochherrschaftlichen Ambiente und dem Parkettboden, über den die Touristen sonst nur in Filzpantoffeln rutschen dürfen; es war ein schöner, milder Tag zwischen Sommer und Herbst, an dem sich Deutschland und Berlin von ihrer schönsten Seite zeigten. Schäuble hatte die 15 Vertreter der in Deutschland lebenden Muslime ins Wohnzimmer des Landes geladen, um mit weiteren 15 Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen über den Islam in Deutschland zu diskutieren.

Es war ein historischer Tag, dieser 27. September 2006. Erstmals saßen sich Staat und Muslime zumindest für die Dauer des Treffens auf Augenhöhe gegenüber. Bewusst hieß das Gremium, das da seine ersten Schritte ging, "Deutsche Islamkonferenz", weil es eben um Deutschland ging und den Islam, der in diesem Land seine Heimat finden sollte. Zu den Muslimen, die an diesem Tag ins Schloss geladen waren, gehörten neben den islamischen Verbandsvertretern Persönlichkeiten wie die Schriftsteller Navid Kermani und Feridun Zaimoglu - und auch die scharfzüngige Islamkritikerin Necla Kelek.

Eine andere, optimistischere Zeit

An diesem historischen Tag sagte Wolfgang Schäuble: "Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas. Er ist Teil unserer Gegenwart, und er ist Teil unserer Zukunft. Muslime sind in Deutschland willkommen. Sie sollen ihre Talente entfalten, und sie sollen unser Land weiter voranbringen." Einige Zeit später wird der damalige Bundespräsident Christian Wulff Vergleichbares sagen und damit eine Kontroverse auslösen.

Das alles, die Islamkonferenz in Berlin, ist zehn Jahre her und wirkt doch wie der Bericht aus einer anderen, optimistischeren Zeit. Der christdemokratische Innenminister fand, dass es auch für einen säkularen Staat wichtig ist, Religionen durch Einbinden zu befrieden, die gefährlichen Seiten zu bändigen und ihr Potenzial für eine friedliche und soziale Gesellschaft zu nutzen. Die Vertreter der Islam-Verbände dachten, dass sie nun zum Verhandlungspartner für den Staat würden, von den Bundesministern bis hinunter zu den Bürgermeistern. Und die meisten Kommentatoren fanden, dass es gut ist, wenn alle miteinander reden - die frommen Verbandsvertreter und ihre Kritiker, die Schriftsteller und die Verwaltungsexperten.

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Die Deutsche Islamkonferenz gibt es noch. Sie hat erst im Mai darüber diskutiert, wie eine professionelle muslimische Wohlfahrtspflege aufgebaut werden könnte, vergleichbar mit jener der katholischen Caritas und der evangelischen Diakonie. Sie wird im nächsten Mai darüber reden, wie die Jugendarbeit der Islam-Verbände besser vom Staat unterstützt werden und wie sie besser Jugendliche vorm Abgleiten in den Fundamentalismus bewahren könnte. Das sind wichtige Themen, zweifelsohne, und weil sie eher die Mühen der Sozialgesetzgebung und des Juristischen berühren, kommen auch keine Schriftsteller und Publizisten mehr zu den Treffen.

Wer sich für den Islam in Deutschland interessiert, findet auf der Homepage der Islamkonferenz Beiträge über "Religionssensible soziale Dienstleistungen und Kommunen und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege", über "Flucht und Islam", den Moscheebau und das Kopftuch - oder über muslimischen Rap, der, natürlich, "in keine Schublade passt".

Doch in der Politik und der Öffentlichkeit hat die Bedeutung der Islamkonferenz arg gelitten - und das liegt an den Protagonisten beider Seiten, der staatlichen wie der muslimischen. Schon unter Schäubles Nachfolger Thomas de Maizière legte das Innenministerium zunehmenden Wert auf das Thema innere Sicherheit; im Innenministerium sei Schäubles Dialogkurs manchmal nur zähneknirschend hingenommen worden, hieß es damals.

Als dann Hans-Peter Friedrich von der CSU Innenminister wurde, eskalierte der Streit zwischen ihm und den Verbänden bald: Friedrich erklärte erst einmal, dass für ihn zwar die Muslime zu Deutschland gehörten, der Islam aber nicht Teil des Landes sei. Er schlug dann eine "Sicherheitspartnerschaft" zwischen den Behörden und den Moscheegemeinden vor - letztere sollten enger mit Polizei und Verfassungsschutz zusammenarbeiten, um den radikalen Islamismus bekämpfen zu helfen. Das empfanden die Muslime als Generalverdacht und Aufruf zur Denunziation und drohten mit dem Boykott der Konferenz - tatsächlich schien von Schäubles Idee, einen Dialog von Staat zu Religion auszustoßen, wenig übrig geblieben zu sein.

Beteiligte Moscheeverbände waren bald untereinander zerstritten

Was allerdings auch an den muslimischen Vertretern lag. Die vier größten Moscheeverbände - die türkisch-islamische Ditib, der Islamrat, der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Zentralrat der Muslime - hatten zu Beginn der Islamkonferenz den "Koordinierungsrat der Muslime" gegründet, um mit einer Stimme zu sprechen und die Kräfte zu bündeln.

Doch bald waren die Verbände samt ihren Protagonisten zerstritten: Die Ditib beanspruchte als größter Verband eine Führungsrolle, was die anderen grundsätzlich, zunehmend aber auch mit Verweis auf die faktische Abhängigkeit vom türkischen Staat ablehnten. Der Zentralrat der Muslime mit dem umtriebigen Vorsitzenden Aiman Mazyek wurde zum Liebling der Politiker und Journalisten - doch der war der Chef des kleinsten der vier Verbände. So wurde der Koordinierungsrat nie ein ernst zu nehmender Verhandlungspartner - und die unabhängigen Vertreter der Islamkonferenz wiesen immer wieder darauf hin, dass die Verbände insgesamt nur eine Minderheit der Muslime verträten und überhaupt nur das konservative Spektrum des Islam.

Gescheitert ist die Islamkonferenz allerdings nicht, wie so mancher Kritiker sagt. Innenminister Thomas de Maizière hat es geschafft, die Beteiligten am gemeinsamen Tisch zu halten, der CDU-Politiker hat Tempo aus mancher ideologischen Debatte herausgenommen - man redet nicht mehr über Rechtsstaat, Grundgesetz, Scharia, Koran, sondern über Jugendarbeit und Pflegedienste. Der Preis ist, dass die vor zehn Jahren so glanzvoll gestartete Veranstaltung nun wenig glanzvoll vor sich hinwerkelt - und am Ende keine großen Sätze stehen, sondern ein paar trockene Absichtserklärungen. Was, wenn man die Islamdebatte im Land sieht, nicht weniger ein Zeichen ist als das erste Treffen im Königsschloss.

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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