Der Staat in der Sorgepflicht:Verwahrloste Alte, verhungerte Kinder

Wenn gute Betreuung von Kindern und Alten vom Staat kaputtgespart wird, dann bedeutet das die Verwahrlosung der öffentlichen Verantwortung.

Heribert Prantl

Kinder werden nicht, wie viele alte Menschen in den Heimen, per Nasensonde ernährt. Sie werden nicht, wie die Alten, ans Bett gefesselt, sie können sich also nicht zu Tode strangulieren, wenn das Heimpersonal in der Eile die Gurte falsch angezogen hat.

Ministerin Zypries will den Kinderschutz verbessern. (Foto: Foto: ddp)

Kinder werden anders malträtiert, aber mit ähnlichen Folgen: Die Fälle Kevin, Jessica oder Dennis waren schaurige Beispiele. Wenn Eltern furchtbar versagen, wenn ihre Kinder verkümmern, verwahrlosen, verhungern - dann muss der Staat Vater sein und Mutter und Vormund, dann tritt zu dem Sorgerecht, das die leiblichen Eltern haben, eine Sorgepflicht des Staates.

Es ist daher lobenswert, wenn die Bundesjustizministerin den Kinder- und Jugendschutz verbessern will. Man kann gewiss da und dort an den Paragraphen drehen. Aber Kevin, Jessica und Dennis sind nicht an einer unzureichenden Rechtslage gestorben, sondern daran, das die Behörden das Recht dieser Kinder nicht verwirklichen konnten oder wollten, weil sie überfordert waren, das Geld nicht reichte, die Jugendämter zu wenige Betreuer für die Kinder haben.

Wie soll sich ein Betreuer um 250 Kinder in prekären Verhältnissen kümmern können? Die Jugendhilfe gehört zu den Sparopfern der sogenannten Reformen des Sozialstaats. Es ist schön, wenn die Ministerin Zypries will, dass ein Betreuer sich um maximal 50 Kinder kümmert. Selbst wenn die intensivere Fürsorge künftig im Bundesgesetz vorgeschrieben wird, ausführen müssen das die Länder. Die haben schon das auf dem Papier wunderbare Betreuungsgesetz für die Alten kaputtgespart.

Wenn gute Betreuung von Kindern und Alten dem Staat zu teuer ist, dann bedeutet das die Verwahrlosung der öffentlichen Verantwortung.

© SZ vom 03.09.2009/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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