Der vom UN-Kriegsverbrechertribunal zu 20 Jahren Haft verurteilte bosnisch-kroatische General Slobodan Praljak ist in einem Krankenhaus in Den Haag gestorben. Praljak hatte nach seiner Verurteilung eine Flüssigkeit getrunken. Ihr Mandant habe "Gift genommen", sagte seine Verteidigerin daraufhin dem Gericht. Der Vorsitzende Richter unterbrach die Urteilsverkündung gegen Praljak und fünf weitere bosnische Kroaten.
Kroatiens Regierungschef Andrej Plenković hat Praljaks Tod bestätigt und den Schuldspruch scharf kritisiert. Er sprach Praljaks Familie sein Mitgefühl aus und kündigte mögliche rechtliche Schritte seines Landes gegen Teile des Urteils an. Das Urteil spiele fälschlicherweise auf eine Rolle Kroatiens im Bosnienkrieg an, sagte Plenković. Die Führung Kroatiens könne auf keiner Weise mit den Geschehnissen in Verbindung gebracht werden, sagte Plenković im kroatischen Fernsehen. "Das Urteil ist unbegründet und ungerecht, kollidiert mit den Fakten und ist als solches für Kroatien inakzeptabel", sagte der Ministerpräsident.
Praljak war nach dem Vorfall von Ärzten medizinisch betreut und aus dem Gerichtssaal ins Krankenhaus gebracht worden. Richter und Anwälte reagierten bestürzt. Praljak war zuvor verurteilt worden und hatte dann auf Kroatisch gerufen: "Ich bin kein Kriegsverbrecher!" Was der Mann genau eingenommen hat und wie das Fläschchen mit der Flüssigkeit in den Gerichtssaal kommen konnte, war zunächst unklar. Richter Carmel Agius sagte, die niederländischen Behörden hätten Ermittlungen zu dem Vorfall aufgenommen.
Im Bosnienkrieg war Praljak Militärchef der bosnischen Kroaten
Während des Bosnienkrieges (1992-1995) war Praljak Militärchef der bosnischen Kroaten. Im Berufungsverfahren hatte das Gericht bereits einige Urteile gegen die Führungsriege der bosnischen Kroaten wegen schwerer Kriegsverbrechen im Bosnienkrieg bestätigt. Außer Praljak waren der ehemalige Regierungschef der selbstproklamierten Kroatischen Republik Herceg-Bosna, Jadranko Prlić, der ehemalige Verteidigungsminister desselben Pseudostaats, Bruno Stojić, sowie drei weitere Offiziere angeklagt.
Die sechs Angeklagten waren 2013 für schuldig befunden worden, an der Vertreibung bosnischer Muslime beteiligt gewesen zu sein, um ein kroatisches Territorium zu gründen. Die 25-jährige Haftstrafe gegen Prlić bleibt bestehen. Das urteilte das Gericht, bevor die Sitzung aufgrund des Zwischenfalls unterbrochen werden musste.
Es sollte das letzte Urteil des Tribunals sein, das nach 24 Jahren zum Jahresende seine Arbeit abschließt. Das UN-Tribunal war das erste internationale Gericht für Urteile wegen Kriegsverbrechen in Europa nach 1945. Zu den 84 Verurteilten gehören die militärisch und politisch Verantwortlichen der schlimmsten Verbrechen.
Ex-Serbenführer Radovan Karadžić wurde 2008 an Den Haag ausgeliefert. 2016 wurde er unter anderem für den Völkermord von Srebrenica zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Der militärische Chef der bosnischen Serben, Ratko Mladić, war 2011 gefasst worden. Gegen den Ex-General verhängten die Richter erst in der vergangenen Woche eine lebenslange Haftstrafe. Heute steht niemand mehr auf der Fahndungsliste des UN-Gerichts.