Demonstrationen in der Slowakei:Vereint gegen Fico

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Tausende Menschen demonstrieren in Bratislava gegen die geplante Strafrechtsreform der neuen Regierung. (Foto: Jaroslav Novak/AP)

Zehntausende in der Slowakei folgen dem Protestaufruf von drei Oppositionsparteien. Sie wollen verhindern, dass der Premier Korruption aufs Neue begünstigt.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Auch bei minus zehn Grad Celsius würden sie wiederkommen. "Wir geben die Slowakei nicht auf", rufen die Demonstrierenden im Zentrum von Bratislava. Etwa 20 000 Menschen haben sich laut Medienberichten am Donnerstagabend auf dem Platz des Slowakischen Nationalaufstandes versammelt. Live-Videos zeigen eine dicht gedrängte Menge. Nach drei Demonstrationen im Dezember stehen die Menschen auch gleich nach den Weihnachtsferien wieder in der Kälte, um gegen die Regierung von Robert Fico zu protestieren. Der ist seit Oktober wieder Ministerpräsident, schon das vierte Mal.

Auch in 13 weiteren slowakischen Städten gab es Proteste. Sogar in Prag wurde demonstriert - in Tschechien lebt eine große Auslandsgemeinschaft von Slowaken. Als ein Grund dafür, dass so viele Menschen ihr Land verlassen, gilt auch Robert Fico, der Premier.

Ficos Parolen gegen die EU, USA und die Ukraine

Fico hatte mit seiner linkspopulistischen Partei Smer-SD am 30. September mit einem Ergebnis von knapp 23 Prozent die Wahlen gewonnen. Im Wahlkampf und auch schon die Jahre davor, als er in der Opposition war, sicherte er sich eine Anhängerschaft mit Parolen gegen EU, USA sowie zuletzt gegen die Ukraine und gegen Flüchtlinge. Nun regiert Fico mit einer knappen Mehrheit in einer Koalition mit der rechtsextremen, von Verschwörungsschwurblern vereinnahmten Partei SNS sowie der gemäßigten, linkspopulistischen Partei Hlas.

Was die Menschen auf die Straße treibt, sind Ficos Reformpläne in der Strafverfolgung. Fico will die Spezialstaatsanwaltschaft abschaffen, die wesentlich für Korruptionsfälle zuständig ist. Zudem soll das Strafmaß für viele Vergehen, die mit Vetternwirtschaft und Bestechung zusammenhängen, gesenkt werden.

Auf Plakaten war ein schon ikonisch gewordenes Bild von Ján Kuciak und Martina Kušnírová zu sehen. Der Journalist und seine Freundin wurden vor sechs Jahren in ihrem Haus erschossen, sie waren 27 Jahre alt. Kuciak hatte über Mafia-Strukturen im Staat recherchiert, über Netzwerke, die tief in Polizei und Justiz hineinreichten. Viele Menschen machten damals Fico und seine Regierung dafür verantwortlich, dass Kuciak starb und weitere Journalisten und Staatsanwälte bedroht wurden.

"Die Mörder sind wieder an der Macht", steht auf einem Plakat

"Die Mörder und die Mafia sind wieder an der Macht", stand auf einem der Plakate am Donnerstagabend. Und weiter: "Jan und Martina, bitte entschuldigt, dass es so lange dauert. Wir kämpfen weiter!" Fico, der frühere Innenminister Robert Kaliňák sowie der ehemalige Polizeipräsident Tibor Gašpar traten nach Massenprotesten 2018 zurück - nun sind sie in der neuen Regierung. Als "ein Volk ohne Gedächtnis" hatte Zuzana Homer von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bratislava die Slowaken in einem Gespräch mit der SZ nach der Wahl bezeichnet. Sie hatte sich dabei auf die Proteste von 2018 bezogen.

Doch einige Menschen erinnern sich offensichtlich doch. Aufgerufen zu den Protesten hatten drei Oppositionsparteien, allen voran die liberale, proeuropäische Progresívne Slovensko (PS). Sie war bei der Parlamentswahl mit knapp 18 Prozent zweitstärkste Kraft geworden. Gemeinsam mit der sehr konservativen, christlichen KDH und der wirtschaftsliberalen SaS tragen sie ihren Protest aus dem Parlament auf die Straße. Der Vorsitzende der PS, Michal Šimečka, sprach auf der Kundgebung die großen Unterschiede zwischen den drei Parteien offen an. "Doch was uns eint ist, dass wir Demokratie und Rechtmäßigkeit mögen."

Im Parlament zögert die Opposition die Verabschiedung der neuen Gesetzgebung zum Strafrecht seit Wochen durch verschiedene Interventionen hinaus. Ursprünglich hatte Fico sein Vorhaben in einem beschleunigten Verfahren bis spätestens Mitte Januar umsetzen wollen.

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Gast auf der Demonstration war auch Ivan Korčok. Der frühere Außenminister und ehemalige Botschafter der Slowakei in den USA kandidiert für die Präsidentschaftswahl am 23. März. Ihm trauen die Menschen auf der Demo zu, Fico zumindest etwas Einhalt zu gebieten. So wie es derzeit Präsidentin Zuzana Čaputová tut, die nach einer Amtszeit nicht mehr antreten will. Sie begründet das mit Drohungen gegen ihre Familie; sie selber wird seit Langem von Fico und seinen Anhängern wüst beschimpft und verleumdet. Čaputová erstattete Anzeige.

Doch Ficos Kandidat liegt in Umfragen vorn. Peter Pellegrini ist derzeit Vorsitzender des Parlaments sowie Gründer und Chef der Partei Hlas (Stimme). Früher gehörte er Ficos Partei an. Er gibt sich europäisch, sozialdemokratisch, alles in allem als freundliches Gesicht der Regierung. Die Demonstranten in Bratislava aber haben für ihn nur ein Wort übrig: "Taschenhalter". Und zwar der Ficos. Pellegrini werde im Sinne Ficos handeln, fürchten Kritiker, oder ihn zumindest nicht stören.

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