Tag der Arbeit:Wegner über 1. Mai: „taktische Meisterleistung“ der Polizei

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Demonstranten und Kräfte der Polizei stehen am Kottbusser Tor. (Foto: Kay Nietfeld/dpa/Archivbild)

Die Demonstration am 1. Mai in Berlin war im Gegensatz zu früheren Jahren mit Steinhagel und brennenden Autos ein lockeres Miteinander. Entsprechend entspannt zeigte sich der neue Bürgermeister an seinem sechsten Tag im Amt.

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Berlin (dpa) - Nach der weitgehend friedlichen linken Demonstration am Abend des 1. Mai hat Berlins neuer Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) von einer „taktischen Meisterleistung“ der Polizei gesprochen. Es habe ein Gewaltpotenzial gegeben, „er habe auch durchaus Sorgen gehabt“, sagte Wegner am Dienstag. Letztlich sei der Tag aber „sehr, sehr erfolgreich“ gewesen. Die Polizei habe ein Gewaltaufkommen bei der Demonstration mit 12.000 Teilnehmern am Abend aber verhindert.

Polizeipräsidentin Barbara Slowik sicherte zu, ein aggressives Auftreten von Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern nach der Demonstration in Kreuzberg genauer zu untersuchen. Dabei geht es vor allem um ein Video, das zeigt, wie Polizisten am späten Abend feiernde Menschen von der Oranienstraße vertreiben wollen, mit Pfefferspray sprühen und einen betrunkenen Mann heftig zu Boden stoßen.

Tatsächlich war die Polizei am Abend des 1. Mai anders als in allen früheren Jahren seit 1987 nicht direkt angegriffen worden. Steinwürfe und Flaschenwürfe aus der Demonstration blieben aus, obwohl ein Teil der Demonstranten durchaus aggressiv war. Allerdings waren die Gruppen von schwarz gekleideten Linksautonomen eher klein, die Polizeipräsenz dagegen sehr hoch. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und die Polizei zeigten sich daher auch zufrieden mit dem Verlauf und sprachen vom friedlichsten 1. Mai seit langem.

Trotzdem wurden 67 Menschen, 58 Männer und 9 Frauen, von der Polizei vorläufig festgenommen. 99 Ermittlungsverfahren seien eingeleitet worden, teilte die Polizei am Dienstag mit. Dabei gehe es um Vorwürfe wie Landfriedensbruch, Angriffe auf Polizisten, Widerstand gegen die Polizei, Sachbeschädigung und gefährliche Körperverletzung. Nach den Angaben wurden 9 Polizisten leicht verletzt, meist hätten sie Prellungen erlitten.

Die Polizei teilte mit: „Einzelne Würfe von Flaschen und Farbbeuteln - unter anderem gegen eine Bankfiliale und gegen die Polizeiwache am Kottbusser Tor - blieben folgenlos.“ Ein Polizist wurde von einem Böller getroffen und leicht verletzt. Ein israelfeindlicher Ruf für Palästina zu Beginn der Demonstration sei dokumentiert worden, nun werde geklärt, ob es sich um eine antisemitische Straftat handele, sagte Slowik.

7100 Polizisten waren demnach im Lauf des Tages in ganz Berlin im Einsatz, davon knapp 2600 aus anderen Bundesländern. An der linken und linksradikalen Demonstration am Montagabend nahmen laut Polizei rund 12.000 Menschen teil. Die Veranstalter sprachen von etwa 20 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Zu dem Video von der aggressiven Polizeieinheit aus Mecklenburg-Vorpommern, die mit Schlagstöcken und Pfeffersprayflaschen in den Händen die mit feiernden Menschen gefüllte Oranienstraße räumen wollte, sagte Slowik: „Wir nehmen die Hinweise sehr ernst. Wir werden den Vorfall sehr gründlich aufarbeiten, ganz sicher.“ Weiter könne sie aber so kurz nach dem Abend noch nichts zu dem Thema sagen.

Mit Blick auf eine zweite problematische Situation verteidigte Slowik das Vorgehen der Polizei. Gegen 20.00 Uhr stand die Demonstration mit 12.000 Teilnehmern am Kottbusser Tor still. Die dortige neue Polizeiwache im Hochhaus wurde mit vielen Polizisten geschützt. Nach vorne kamen die Demonstranten nicht weiter, hinten warteten tausende Menschen, rechts und links hatte die Polizei mit Stoßstange an Stoßstange stehenden Mannschaftswagen alles abgesperrt. Über einen längeren Zeitraum konnte fast niemand den Bereich verlassen.

Veranstalter und Unterstützer kritisierten, die Polizei habe einen „Kessel“ gebildet, mehrere Menschen hätten Panikattacken bekommen. „Das Kottbusser Tor einzukesseln war mehr als fahrlässig.“ Auch Journalisten sahen die Polizeitaktik der seitlichen Abriegelungen kritisch.

Slowik erwiderte: „Zu allen Zeiten konnten die Teilnehmenden den Demonstrationszug rückwärts gerichtet verlassen. Und auch nach Westen. Das war, so mein Stand, möglich. Teilweise wurden auch die, Absperrungen auf der Mittelinsel geöffnet. Das mag nach und nach passiert sein.“ Es sei zudem Aufgabe des Veranstalters, die Teilnehmer über das Ende der Demonstration zu informieren. Nach Angaben eines dpa-Reporters beendeten die Veranstalter die Demo per Lautsprecherdurchsage.

© dpa-infocom, dpa:230502-99-529043/6

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