1. Mai:Bis zu 15.000 Teilnehmer bei „Revolutionärer Demonstration“

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Der Polizei-Schriftzug steht auf einem Einsatzfahrzeug. (Foto: Christoph Soeder/dpa/Symbolbild)

Einige Jahrzehnte lang ist die Geschichte der 1. Mai-Demonstrationen in Berlin-Kreuzberg. Wer bei den ersten Krawallen 1987 ein Mittzwanziger war, geht nun bald in Rente. Aber immer neue Generationen fordern Veränderung und „Revolution“.

Von Andreas Rabenstein, dpa

Berlin (dpa/bb) - Bei der üblicherweise von linken und linksradikalen Aktivisten besuchten Demonstration am Abend des 1. Mai in Berlin werden von der Polizei in diesem Jahr 10.000 bis 15.000 Teilnehmer erwartet. Der 1. Mai sei nach wie vor der Symboltag für die linksradikale Szene, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Freitag im RBB-Inforadio. Politische Themen wie hohe Mieten, Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt und Inflation sorgen demnach für eine hohe Teilnehmerzahl. Immer wieder kam es bei er Demonstration zu Gewaltausbrüchen vor allem durch linksautonome Randalierer.

In diesem Jahr versuche die linksautonome Szene, Jugendliche in Neukölln zur Teilnahme an der Demonstration und möglichen Krawallen zu bewegen, sagte Slowik. „Man versucht, die oft gar nicht so politische Jugend in Neukölln anzusprechen und sie zum Mitrandalieren aufzufordern.“ Es gebe auch Plakate mit der Aufschrift „Silvester 2.0“. Die Polizei habe bei sogenannten Gefährderansprachen auch Verdächtige aus der Silvesternacht vor der Teilnahme gewarnt.

Eine Zusammenarbeit zwischen Klimaschutz-Demonstranten und Linksradikalen sei hingegen unwahrscheinlich, sagte Slowik. Die Klimaaktivisten hätten immer betont, dass sie friedlich seien.

Die traditionelle Demonstration linksradikaler Gruppen beginnt wie immer um 18.00 Uhr, diesmal in Neukölln auf der Hermannstraße. Sie führt dann über Hermannplatz, Karl-Marx-Straße, Sonnenallee und Kottbusser Damm zum Kottbusser Tor und Oranienplatz.

Die Veranstalter schrieben zuvor: „Wir wünschen der kommenden CDU/SPD-Koalition in Berlin viele medienwirksame Skandale vor ihrem schnellen Ende. Dazu werden wir am 1. Mai beitragen.“

Die Berliner Polizei wird wie jedes Jahr wegen der Veranstaltungen mit einigen tausend Polizisten im Einsatz sein, darunter auch Verstärkung aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei.

Der Hotspot am Abend ist klar: die neue Polizeiwache direkt am Kottbusser Tor in Kreuzberg. Auf der Karte der Organisatoren sind der Anfangs- und Endpunkt der „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ markiert und als dritter Punkt am „Kotti“: „Bullenwache“. Schon im vergangenen Jahr, als die Polizeiwache in dem Hochhaus über der Adalbertstraße noch im Bau war, schützte die Polizei den Bereich besonders mit Gittern und vielen Polizisten.

Auch bei der Justiz gilt der 1. Mai als Großlage, wie eine Sprecherin sagte. Beim Bereitschaftsgericht am Tempelhofer Damm sind vom 30. April bis 2. Mai alle fünf Richterinnen und Richter im Dienst, es gibt eine Rufbereitschaft mit jeweils zwei Richtern in der Nacht. Erfahrungsgemäß fällt die meiste Arbeit am 2. Mai an.

Seit 1987 kam es am 1. Mai in Kreuzberg bei abendlichen Veranstaltungen und Demonstrationen immer wieder zu Gewaltausbrüchen von Linksautonomen und Straßenschlachten mit der Polizei. In den vergangenen mehr als zehn Jahren beruhigte sich die Lage weitgehend. 2021 endete die Demonstration allerdings bereits auf der Sonnenallee in Neukölln, weil dort zahlreiche Teilnehmer randalierten. 2022 erreichte der Demonstrationszug mit mehr als 10.000 Teilnehmern ohne größere Zwischenfälle den Oranienplatz, wo es kleinere Auseinandersetzungen mit der Polizei gab.

Schon am Nachmittag des 1. Mai wollen linke Gruppen mit satirischen Aktionen und Demonstrationen durch den Villen-Stadtteil Grunewald ziehen. In Anspielung an die Demonstrationen um den Kohlebergbau in Lützerath wurde angekündigt, im Villenviertel Grunewald rückten die Bagger an. „Der Wille zur Yacht und die Villen der Macht sind verantwortlich für die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Hier müssen wir ansetzen. Ab jetzt wird die richtige Kohle abgebaggert.“

Geleitet wird die Aktion von der „RWE - Reichtum wird enteignet“. Ein Video zu dem Protest ist aufgemacht wie Werbefilme der Energie- und Stromkonzerne. Beteiligt an den Aktionen sind Klimaschutz-Gruppen wie Letzte Generation und Fridays For Future, aber auch die als linksextrem eingestufte Interventionistische Linke.

Weitere große Demonstrationen am 1. Mai sind wie üblich von Gewerkschaften und verschiedenen Parteien wie der Linken angekündigt.

Das früher so beliebte Kreuzberger „MyFest“ mit Zehntausenden Besuchern und völlig überfüllten Straßen in Kreuzberg findet nicht statt. Der von den Grünen geführte Bezirk wollte die Feierei nicht mehr. Das Fest war immer größer geworden. Zehntausende Menschen hinterließen Müllberge und zerstörte Grünflächen. Die Anwohner waren genervt. Erwartet wird aber trotzdem, dass sich zahlreiche Menschen in den Straßen rund um die Oranienstraße zum Trinken, Essen und Feiern versammeln.

Bereits am Sonntagabend, dem Vorabend des 1. Mai, ziehen zwei linke Demonstrationen durch die Stadt. Ab 16.00 Uhr heißt es im Wedding zwischen Seestraße und Pankstraße: „Frieden statt Kapitalismus - Wettrüsten stoppen und Armut beenden“. Abends demonstrieren Frauen in Kreuzberg: „Take back the night. Queer-feministische Demonstration.“

© dpa-infocom, dpa:230428-99-483878/3

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