40 Jahre DDR:Als könne man einfach so weitermachen

Ihre lange geplante Feier zum Jahrestag der Staatsgründung ließ sich die DDR-Führung am 7. Oktober 1989 nicht nehmen. Angesichts dessen, was im Land los war, wirkte das schon bizarr, wie Fotos zeigen.

Von Barbara Galaktionow

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(Foto: dpa)

Am 7. Oktober 1989 - vor mittlerweile 30 Jahren - feierte die Staatsführung in Ost-Berlin das 40-jährige Bestehen der Deutschen Demokratischen Republik. Die Feierlichkeiten waren von langer Hand geplant und liefen ganz im gewohnten Stil ab: Soldaten der Nationalen Volksarmee marschierten bei einer Militärparade auf der Ost-Berliner Karl-Marx-Allee vor der Tribüne mit der Regierung und den Ehrengästen vorbei.

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Auf der Ehrentribüne versammelten sich die gealterten Staatslenker, unter anderem der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker (3. v. l.) und der Vorsitzende des Ministerrates, Willi Stoph (3. v. r.)., und ließen stoisch ihr Programm ablaufen - was angesichts der Unruhe im Land fast schon bizarre Züge hatte. Links neben Honecker stand der Ehrengast aus Moskau, der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow, der mehr frischen Wind mit sich brachte, als der DDR-Führung lieb war.

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Denn die Stimmung im Land war angespannt. Immer mehr Menschen stellten Ausreiseanträge oder flüchteten über Ungarn. Tausende setzten sich über die westdeutschen Botschaften in Prag oder Warschau ab. Im Land wuchs die Protestbewegung, die gegen Wahlfälschungen, gegen die Verkrustung des Landes und staatliche Willkür demonstrierte, von Woche zu Woche an. Bereits am 2. Oktober gingen in Leipzig wohl bis zu 20 000 Menschen auf die Straße - es war die größte, nicht vom Staat gelenkte Demonstration in der DDR seit dem 17. Juni 1953.

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Mit Victory-Zeichen setzten die protestierenden DDR-Bürger sich für demokratische Reformen ein. Während zuvor vor allem der Ruf "Wir wollen raus" zu hören gewesen war, kündigten nun viele Demonstranten laut an: "Wir bleiben hier" - eine Kampfansage an das SED-Regime.

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Beflügelt wurde die Protestbewegung in der DDR durch den neuen Kurs in der Sowjetunion. Gorbatschows Eintreten für Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umbau) weckte auch bei vielen Ostdeutschen die Hoffnung auf Veränderungen. Die DDR-Spitze beeilte sich allerdings zu betonen, dass sie ja nicht alles machen müsse, was Moskau täte. Auch wenn Honecker den Reformer aus der Sowjetunion am 6. Oktober 1989 in Berlin mit dem traditionellen Bruderkuss empfing, war das Verhältnis doch eher getrübt.

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Zumal Gorbatschow den Hoffnungen der Demonstranten bei seinem Berlin-Besuch neue Nahrung gab. Bei einer improvisierten Pressekonferenz am 6. Oktober gefragt, ob er die Situation in der DDR für gefährlich halte, wiegelte er zwar zunächst ab. Er denke nicht, die Sowjetunion habe größere Probleme. Doch dann schob er den Satz hinterher: "Ich glaube, Gefahren lauern auf diejenigen, die nicht auf das Leben reagieren."

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Dieses Leben zeigte sich auch am Republikgeburtstag wieder auf den Straßen Ost-Berlins, Leipzigs und anderer Städte. Am Berliner Alexanderplatz bildeten Polizisten und Kampfgruppen Sperrketten um Demonstrierende.

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Die Einheiten gingen mit großer Brutalität gegen die Protestierenden vor. Mit Knüppeln prügelten sie auf die friedlichen Demonstranten ein, sie setzten Wasserwerfer ein und spezielle Räumfahrzeuge. Hunderte Menschen wurden festgenommen - darunter auch unbeteiligte Passanten.

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Die "Zugeführten" wurden auf Ost-Berliner Polizeirevieren systematisch gedemütigt und misshandelt. Nach ihrer Freilassung berichteten die Menschen, dass sie geschlagen oder getreten worden seien, stundenlang nicht auf die Toilette durften oder dann dort beobachtet wurden. Andere mussten stundenlang stehen oder wurden mit vielen anderen in fensterlose Zellen gepfercht.

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(Foto: picture-alliance/ dpa)

Vor der Leipziger Montagdemonstration am 9. Oktober war die Lage daher extrem angespannt. Viele befürchteten, dass die DDR-Führung zur "chinesischen Lösung" greifen werde - also ebenso brutal gegen die Protestierenden vorgehen werde wie Peking am 4. Juni auf dem Tiananmen-Platz. Trotzdem kamen Zehntausende, von bis zu 70 000 Demonstranten ist die Rede. "Wir wollen keine Gewalt! Wir wollen Veränderungen!", hieß es auf einem Banner. Und der befürchtete Einsatz von Polizei oder Militär blieb aus, die Staatsmacht hielt sich zurück. Die Erleichterung unter den Reformern war gewaltig, nicht nur in Leipzig.

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Nach dieser Zäsur wuchs die Protestbewegung schnell weiter an. Schon am 16. Oktober demonstrierten mehr als 100 000 Menschen in Leipzig. Bald würden es eine halbe Million sein.

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(Foto: Associated Press)

Über "40 Jahre Deutsche Demokratische Republik" konnten die Menschen sich damals in einer "Zentralen Ausstellung" im Museum für Deutsche Geschichte informieren. Mehr Jahre sollten es dann auch nicht werden.

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