David Cameron in Washington:Schluss mit kuschlig

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Wenn der britische Premier David Cameron am Dienstag im Weißen Haus eintrifft, hat er nicht nur Nettigkeiten für US-Präsident Obama dabei. Themen mit Konfliktpotential sollen auf den Tisch. Auch Cameron wird mit Gegenwind rechnen müssen.

Dana Hoffmann

Großbritannien und die USA haben eine ganz besondere Beziehung, eine special relationship, wie beide Seiten immer wieder betonen. Doch unter dem früheren Premierminister Tony Blair hatte das kleine Wort "special" noch einen Unterton. Es klang nach kuschlig, nach unterwürfig. Das soll sich unter David Cameron nun ändern. Bei seinem ersten offiziellen Besuch im Weißen Haus bei Präsident Obama will der britische Regierungschef auch Themen diskutieren, bei denen sich die alten Partner nicht einig sind.

Die "special relationship" zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA dient nationalen Interessen beider Länder, meint David Cameron. (Foto: AFP)

Der erste große Aufreger drängte kurz vor Camerons Abflug am Dienstag die Themen Afghanistan und Weltwirtschaft auf der Agenda nach hinten: Der britische Öl-Konzern BP soll sich für die Begnadigung des Lockerbie-Bombers Abd al-Bassit Ali al-Mikrahi eingesetzt haben. Bei dem Anschlag auf die Pan-Am-Maschine starben 1998 270 Menschen, darunter 190 Amerikaner.

Der Libyer war der einzige, der für das Attentat verurteilt wurde. Die schottische Regionalregierung hatte den krebskranken Mann vor elf Monaten nach acht Jahren Haft begnadigt. Vergangene Woche hatte BP nun zugegeben, die britische Regierung unter Camerons sozialdemokratischem Vorgänger Gordon Brown auf mögliche wirtschaftliche Auswirkungen hingewiesen zu haben, sollte die Freilassung libyscher Gefangener nicht schnell genug gehen. Angeblich wollte der Konzern damit einen lukrativen Auftrag aus Libyen nicht gefährden.

David Cameron bestreitet, dass die Freilassung etwas mit BP zu tun gehabt habe. Es sei eine Entscheidung der unabhängigen schottischen Justiz gewesen, betonte der Premier vor dem Abflug nach Washington. "Ich habe keine Ahnung, was BP tat." Um ein erneutes Aufflammen des Streits zu verhindern, versicherte Cameron in der britischen BBC erneut, dass es für ihn als damaligen Führer der Opposition "nicht das geringste Argument" gegeben habe, das für die Freilassung des Libyers gesprochen habe. Die Freilassung sei "ganz und gar falsch" gewesen. Ein leicht fader Beigeschmack bleibt trotzdem: Cameron hatte - mit Verweis auf seinen vollen Terminkalender - ein Treffen mit den US-Senatoren aus New Jersey und New York abgesagt, die Auskunft über den Fall haben wollten. Aus den beiden US-Bundesstaaten stammen viele der Opfer. Kurzfristig stimmte er nun aber doch noch einem Treffen zu.

Die special relationship zwischen den USA und Großbritannien soll davon freilich nicht beeinträchtigt werden, betonte Cameron im Wall Street Journal. Er habe nie verstanden, warum in seinem Land eine solche Angst davor herrsche. "Die Verbindung ist stark, weil sie für beide Seiten Vorteile hat. Die Allianz wird nicht von historischen Bindungen oder blinder Loyalität getragen. Diese Partnerschaft ist so ausgewählt, dass sie unseren nationalen Interessen dient."

Mit Blick auf den sogenannten "Küchengipfel" zwischen Obama und Camerons Vorgänger Gordon Brown kritisierte der britische Premier diejenigen, die allzu kleinlich an der Länge eines Treffens seine Bedeutung ablesen wollen. Für Brown hatte es seinerzeit nur für ein kurzes Gespräch unter vier Augen gereicht - in der Küche im Keller des UN-Gebäudes. David Cameron darf drei Stunden mit dem Präsidenten im Oval Office verbringen. Die kühle "Übergangsphase" nach dem Abgang von Blair und Bush sei vorbei, frohlockte da schon die Londoner Times. Ob das jedoch so einfach ist, bleibt fraglich. Cameron steht unter dem Druck, die britische Position verteidigen und die nach Meinung vieler seiner Landsleute ungerechtfertigten Angriffe auf BP abwehren zu müssen.

Cameron will deshalb vom Kuschelkurs des ehemaligen Premiers Tony Blair abweichen. Dass es Unstimmigkeiten gibt, hat sich unter anderem beim G-20-Gipfel in Kanada gezeigt. Darüber konnte auch nicht hinwegtäuschen, dass Barack Obama Cameron in seinem Helikopter vom G-8-Gipfel in Huntsville zum G-20-Gipfel in Toronto mitfliegen ließ.

Doch während der Brite den europäischen Sparkurs verteidigte, forderte die Obama-Regierung weitere Konjunkturhilfen. Zum Zeichen, dass es ihm damit wirklich ernst ist, fängt Cameron mit dem Sparen bei sich selbst an: Nach Washington reist er mit einer Linienmaschine der British Airways.

Neben der globalen Wirtschaftslage ist auch der Einsatz in Afghanistan ein Thema, das Konfliktpotential zwischen den alten Partnern birgt: Obama will 2011 mit dem Abzug der US-Truppen beginnen, das Ende lässt er aber offen. Cameron hingegen ist sich sicher: Bis spätestens 2015 soll der größte Teil der britischen Truppen wieder im Großbritannien sein.

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